ADAM WILLIAMS: "DER PALAST DER HIMMLISCHEN FREUDEN"

Ein ebenso opulentes wie hinreißendes Debüt legt Adam Williams mit seinem Roman "Der Palast der Himmlischen Freuden" vor. Der Brite, der selbst 17 Jahre in China gelebt hat, widmet sich darin dem bis heute mysteriös gebliebenen Boxer-Aufstand im Reich der Mitte um 1900. Williams schildert jedoch weniger die hinlänglich bekannten politischen und militärischen Ereignisse insbesondere in Peking als vielmehr das Aufkommen und das brutale Walten jener geheimnisvollen Geheimbünde.

Westliche Missionare und Geschäftsleute sowie der mächtige Mandarin Liu Daguang und ihre Beziehungen zueinander bilden den Rahmen, im Mittelpunkt aber stehen das luxuriöse titelgebende Bordell sowie die Liebesgeschichte zwischen Helen Frances Delamare, Tochter eines Seifenhändlers, und Henry Manners, Ex-Offiziere, Eisenbahningenieur und schillernder Abenteurer-Typ.

Die Stimmung ist explosiv in der fiktiven Stadt Shishan, denn die eifernden Missionsbemühungen der Christen, die Armut und der Aberglaube des einfachen Volkes sowie Korruption und eine gefährliche Mischung aus Gesetzlosigkeit und drakonischer Machtausübung heizen einander auf. Bordell-Chefin Liu Mama zieht ihre Fäden, über ihr der raffinierte Mandarin, um dessen Gunst wiederum der Ausländerhasser Major Lin und Henry Manners buhlen. Zugleich beginnt der attrakive Brite eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit Helen, die für beide ungeahnte und lebensgefährliche Folgen hat.

Die Situation eskaliert im Herbst 1899. Die Übergriffe der fremdenfeindlichen Kampfkunstbünde und schwarzen Bruderschaften häufen sich, zugleich erschreckt die Westler die Leichtigkeit, mit der hier über menschliches Leben verfügt wird. Doch genau diese so tiefgehende Fremdheit zwischen den Chinesen und den Ausländern ist der rote Faden, der das immer dramatischer werdende Geschehen durchzieht. Ursprünglich waren die Boxer, die "Fäuste der gerechten Harmonie" gegen die korrupte, schwache Qing-Dynastie aufgestanden. Der skrupellosen und reformfeindlichen Kaiserin-Witwe Tz'u-hsi (1835-1908) gelang es jedoch, die bizarre Bewegung für die gemeinsame Ausländerfeindlichkeit zu gewinnen. Das führte schließlich im Sommer 1900 zu den Ereignissen, während derer hunderte von Ausländern und chinesischer Christen abgeschlachtet wurden, bis eine internationale Truppe der Kolonialmächte den Aufstand niederschlug.

So ist dieses gewaltige Epos zu einem packenden historischen, politischen und auch Sittenroman geraten, der manch hochdramatische Momente hat, aber auch mit allerlei starken erotischen Passagen fesselt. Die Familiengeschichte des Autors, dessen Eltenr selbst Missionare und Eisenbahnbauer in China waren, sowie die tiefen eigenen Kenntnisse schlagen sich zudem in faszinierendem Zeit- und Lokalkolorit nieder, ohne damit den beängstigenden Zauber dieser fremden Welt zu schmälern.

 

# Adam Williams: Der Palast der Himmlischen Freuden (aus dem Englischen von Margarete van Pée); 766 Seiten; Droemer Verlag, München; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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