KARIN WIELAND: "DIE GELIEBTE DES DUCE"

Clara Petacci war die allgemein bekannte Geliebte Benito Mussolinis und ihr Tod an seiner Seite war spektakulär. Die ungleich wichtigere Frau neben – genauer gesagt hinter – dem langjährigen Diktator Italiens aber war Margherita Sarfatti (1880-1961). Die Historikerin Karin Wieland belegt in der Biographie "Die Geliebte des Duce" die große Bedeutung dieser Frau.

Sie war Jüdin aus wohlhabender Familie, gebildet, kunstsinnig und mit einem angesehenen älteren Anwalt verheiratet, als sie 1912 dem militanten Sozialisten Mussolini begegnete und seine Geliebte wurde. Wie der Erste Weltkrieg beider Leben entscheidend änderte und aus der Pazifistin schließlich quasi die Erfinderin des Faschismus wird, ist eine faszinierende Geschichte. Die mondäne Dame macht aus dem ungebärdigen abtrünnigen Sozialisten den charismatischen Duce, gibt seinem brachialen System einen ästhetischen Glanz, fördert ihn auf seinem Weg an die Macht.

Und dieses Buch wird zur Doppelbiographie, denn es beschreibt detailliert und zugleich romanhaft mitreißend, wie sich der machtgierige ehemalige Volksschullehrer mit einer Mischung aus Opportunismus, Nationalismus und skrupellos eingesetzter Gewalt eine Gefolgschaft formt, die ihn 1922 an die Regierung bringt und ab 1926 zum Diktator werden lässt. Gleichzeitig wird offenbar, wie groß der Unterschied zwischen dem italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus war.

Dennoch ist es gerade die Annäherung der Diktaturen, die entscheidend zum tragischen Absturz der lästig werdenden Geliebten führt. Nach dem Triumph der von ihr verfassten Biographie Mussolinis, für die der Duce 1926 sogar das Vorwort schreibt, schwindet ihr Einfluss zunehmend und schließlich muss sie 1938 sogar die Flucht ins südamerikanische Exil ergreifen, als Mussolini Hitlers Judengesetzen Ähnliches in Italien folgen lässt.