FREDDY DERWAHL: "JOHANNES XXIII"

Als der strenge, erzkonservative Papst Pius XII 1958 starb, wählte das Konklave der zumeist schon greisen Kardinäle ganz bewusst mit Angelo Roncalli einen 76-jährigen bereits kränklichen Mann zum vermeintlichen Übergangspapst. Der kleine, sehr rundliche Bauernsohn aus Bergamo sagte seinerseits von sich, er sei kein bedeutender Papst wie seine Vorgänger.

Beide Einschätzungen sollten sich jedoch auf großartige Weise als Irrtümer erweisen, denn dieser Johannes XXIII wurde in seinen fünf Jahren als Papst zu einem großen Neuerer und errang eine Verehrung vergleichbar nur mit der für Mutter Teresa. Parallel zu dem gleichnamigen Fernsehfilm legt Freddy Derwahl dazu nun die sehr gut recherchierte Biographie "Johannes XXIII. Ein Leben für den Frieden" vor, die tiefe Einblicke in das Wirken dieses von ebenso viel Glaubenskraft wie Menschenliebe geprägten Kirchenmannes erlaubt.

Man hätte es wissen können, dass dieser freundliche humorvolle Mann keine Marionette der zukunftsabgewandten Kurie sein würde, schließlich war er 1925 wegen seiner Neigungen zum "Modernismus" sogar ins katholikenfeindliche Bulgarien strafversetzt worden und schon vorm Ersten Weltkrieg hatte der in Armut aufgewachsene junge Priester sich mit Sympathien für die Textilarbeiter-Gewerkschaft verdächtig gemacht. Wenig bekannt blieb im Übrigen sein Einsatz zur Rettung von 24.000 Juden in Emigrantenzügen in der Türkei vor den Nazis.

Um so konsequenter begann er nach der Wahl zum Papst im Oktober 1958 sogleich mit der größten Veränderung der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Als "Papst der Hoffnung" drängte er auf die Einberufung eines Zweiten Vatikanischen Konzils. Als die Gegner solch gefährlicher Neuerungen auf Zeit spielten, setzte Johannes einfach den Termin fest auf den Oktober 1962 und nannte einen schlichten treffenden Beweggrund: "Wir müssen frische Luft in die Kirche hereinlassen!"

Vielleicht noch bedeutsamer als das dann unter weltweiter Beachtung grandios inszenierte Konzil aber wurde zur selben Zeit sein besonderer Einsatz in der Kuba-Krise, als die Welt tagelang am Rande eines Atomkrieges stand. Am 25. Oktober wandte er sich mit seinem Friedensappell "an alle Menschen guten Willens" und sein Einfluss zur Abwendung des Weltuntergangs lässt sich nur ahnen. Da erwies es sich als äußerst nützlich, dass Chruschtschow ihm wohlgewogen war – quasi von Bauernsohn zu Bauernsohn – und dass mit Kennedy erstmals ein Katholik im Weißen Haus saß. Mit großer Beharrlichkeit und gegen manchen Widerstand in der Kurie erließ Johannes XXIII außerdem kurz vor seinem Tod im Juni 1963 noch seine achte und bedeutendste Enzyklika, die so genannte Friedensenzyklika, die sich erstmals auch an alle Nicht-Katholiken wandte.

Auch bei ihnen war dann die Trauer groß um diesen wohl populärsten aller Päpste, der in seinem kurzen Pontifikat so vieles angestoßen hatte. Derwahls Biographie zeichnet das Bild dieses kleinen großen Mannes auf sehr persönliche Weise nach und ist überdies geradezu romanhaft fesselnd geschrieben.

 

# Freddy Derwahl: Johannes XXIII. Ein Leben für den Frieden; 240 Seiten; Pattloch Verlag, München;

€ 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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