MICHAEL IGNATIEFF: "CHARLIE JOHNSON IN DEN FLAMMEN"

Einen beklemmenden Antikriegsroman der Gegenwart hat der kanadische Publizist Michael Ignatieff mit seiner Geschichte von "Charlie Johnson in den Flammen" geschrieben. Johnson reist seit 20 Jahren als mutiger Fernsehjournalist in die Kriesenherde der Welt. Bis zum Krieg in Bosnien ist es stets dasselbe: er berichtet von der vordersten Front über das Übel der Anderen, ist jedoch nicht wirklich selbst betroffen oder gar einbezogen trotz der ein oder anderen Blessur.

Bis zu jenem fatalen Tag, als er mit seinem polnischen Kameramann Jacek in einen Überfall auf ein bosnisches Dorf gerät. Die Beiden können sich im Haus einer jungen Frau verstecken, diese aber muss dafür aufs Grausamste büßen. Der serbische Milizchef überschüttet sie in unmenschlicher Brutalität mit Benzin und zündet sie an. Johnsons Rettungsversuche bringen wenig, doch die Wunden, die er sich dabei zuzieht, brennen sich mit den unerträglichen Eindrücken in seine Seele und er verliert auf immer seine journalistische Distanz.

Diesmal hilft kein Abstand, kein neuer Einsatzort. Auch Familie und Freunde können ihn nicht aus diesem Unbegreifen, dieser naiven Wut und dem menschlich zutiefst verständlichen Wunsch nach Vergeltung, nach Rache an dem Oberst mit dem Feuerzeug abbringen. Johnson drängt es zurück in jenes Krisengebiet, diesmal als Überzeugungstäter, der die Moral auf seiner Seite sieht. Ebenso unbeirrbar wie fatalistisch geht er der unverzichtbaren Entscheidung entgegen.

Der Kriegsverbrecher erweist sich als von solch gleichgültig sachlicher Kälte geprägt, dass von ihm nicht mal ein Funke Zynismus auszugehen scheint. Eine Kollegin Johnsons erkennt, dass es nicht wirklich wichtig sei, warum die Täter Schlimmes tun: "Worauf es ankommt, ist, dass sie es tun." Und Charlie Johnsons Schuld dabei ist die, dass er den nichtigen Anlass gab, es zu tun.

Ignatieff erzählt dies Alles vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen in Kriegsgebieten und die Geschichte bewegt auch deshalb so unmittelbar, weil sie so absolut real ist. Hinzu kommt, dass sich der renommierte Analytiker von Fragen von Macht und Moral dabei ohne jede Effekthascherei einer lakonischen, zuweilen von spröder Poesie durchzogenen Sprache bedient. Fazit: ein gutes, vor allem aber ein wichtiges Buch.

 

 

# Michael Ignatieff: Charlie Johnson in den Flammen (aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence); 192 Seiten; C. Bertelsmann, München; € 16

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bel 270 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de