R. M. SCHRÖDER: "DIE LANGE REISE DES JAKOB STERN"

Viel ist über die Judenverfolgung und den Holocaust durch die Nazis geschrieben worden, dennoch ist wenig bekannt über den so genannten Kinder-Exodus. In den letzten Monaten vor Ausbruch des Krieges im September 1939 wurden durch eine aufopferungsvolle Organisation noch rund 10.000 jüdische Kinder zwischen 3 und 17 Jahren vor der Vernichtung gerettet, indem man sie nach England verschiffte.

Der versierte Jugendbuchautor Rainer M. Schröder hat sich diesem Thema mit seinem neuen Buch "Die lange Reise des Jakob Stern" gewidmet. Der packende Roman greift das exemplarische Schicksal des im April 1923 geborenen Sohnes einer normalen jüdischen Bürgerfamilie auf und beginnt mit der bestürzenden Szene, wie sein Onkel von einer Nazi-Horde verprügelt wird. Die Juden-Gesetze schlagen durch und täglich wird das Leben bedrückender für den Heranwachsenden.

Schließlich muss er fassungslos erleben, wie die so genannte Reichskristallnacht, jener reichsweite Pogrom, auch seine Familie direkt trifft. Hautnah erfährt er das Eindringen der Nazi-Schergen und sein Vater wird sogar vorübergehend verschleppt. In ihrer Verzweiflung wollen die Eltern dann wie viele andere Familien wenigstens ihre Kinder in Sicherheit bringen. Ein Koffer, ein Handgepäck und 20 RM, mehr darf kein Kind mitnehmen. Der Abschied am Bahnhof ist einer für immer – und er ist so beschrieben, dass es niemanden mit menschlichen Gefühlen unberührt lassen kann.

Jakob, mit knapp 16 auf sich allein gestellt, schließt sich mit Viktor und Lukas zusammen. Und mit Erika, die für ihn dann lebenslang eine besondere Rolle spielen soll. Erst einmal geht es nun in ein englisches Internierungslager, doch die Kinder und Jugendlichen sind alles andere als willkommen, zumal die wachsende Kriegshysterie in jedem der 'bloody germans' einen potenziellen Nazi-Spion vermutet, denn Hitlers Truppen erobern mittlerweile Europa. Nach Monaten die erlösende Nachricht: sie sollen per Schiff nach Amerika gebracht werden. Nur Erika ist leider nicht auf der Liste.

Was sich als Glück erweisen soll, denn die "Arandora Star" wird schon bald von einem deutschen U-Boot versenkt. Es sind dramatische Szenen, als das Schiff Hunderte in die Tiefe reißt, Engländer, Juden und deutsche Kriegsgefangene. Jakob und seine Freunde überleben nur knapp und kehren vorerst nach England zurück. Bis zum neuen Transport, einer abenteuerlichen Odyssee mit der "Dunera", auf der 2.000 Juden in qualvollen Wochen unter demütigenden Bedingungen ins ferne Australien gebracht werden.

Der Autor stellt die Geschehnisse höchst realistisch dar und verweist auf den realen Hintergrund, den er gründlich recherchiert hat. Fazit: ein Thema, über das ein jeder informiert sein sollte, ist hier ebenso schonungslos wie meisterhaft in zwingende Worte gefasst worden. "Die lange Reise des Jakob Stern" ist zwar als Jugendbuch deklariert, doch es wird erwachsene Leser ebenso überzeugen.

 

# Rainer M. Schröder: Die lange Reise des Jakob Stern; 350 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München;

€ 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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