CHRISTIAN von DITFURTH: "DER CONSUL"

Wäre Deutschland keine Diktatur geworden, hätte es keinen Zweiten Weltkrieg und keine Judenverfolgung gegeben, wenn Adolf Hitler im Januar 1933 nicht an die Macht gekommen wäre? Einmal mehr widmet sich Historiker und Thriller-Autor Christian von Ditfurth dem bei uns viel zu selten betriebenen Spiel des 'Was wäre wenn'. "Der Consul" heißt sein neuer Roman und was der Experte für den Nationalsozialismus da von der realen Situation nach der November-Wahl von 1932 aus entwickelt, klingt ausgesprochen realistisch und zugleich durchaus nicht viel verlockender als das tatsächlich Geschehene.

Die NSDAP hat eine herbe Wahlschlappe erlitten, die finanzielle Pleite droht und sogar der Zerfall in widerstreitende Fraktionen. Der charismatische Hitler weigert sich dennoch, sich wenigstens als Vize-Kanzler an der Regierung zu beteiligen. Da wird er in der Nacht des 8. November, zwei Tage nach den Wahlen, brutal ermordet in seinem Weimarer Hotelzimmer aufgefunden. Längst schlagen SA, Kommunisten und andere Radikale sich in Straßenschlachten die Köpfe ein und der wankenden Republik droht nach dem wirtschaftlichen Chaos nun auch der Zusammenbruch jeglicher Ordnung.

Deshalb betraut das Innenministerium den gradlinigen und völlig unpolitischen Kriminalkommissar Soetting mit der schnellen und unauffälligen Klärung des Mordes. Umgehend werden zwei Verdächtige präsentiert, angeblich Helfer des Terrorapparates der KPD. Soetting aber glaubt nicht an diese einfache Lösung und die bald folgenden Morde an Röhm, Goebbels und Gregor Strasser scheinen ihn zu bestätigen. Er verbeißt sich in den Fall, während von oben versucht wird, ihn zu bremsen und im Lande der Bürgerkrieg mit unberechenbaren Koalitionen ausbricht.

Als unbeirrbarer Kämpfer für Recht und Gesetz gerät der politisch naive Ich-Erzähler zwischen alle Stühle und macht bald auch noch böse Fehler. Die Rechtsnationalen verbünden sich mit den Nazis und Soetting muss sich von seinem Chef vorhalten lassen: "Das Recht darf sich der Macht nicht entgegenstellen!" Er wird zum Michael Kohlhaas gegen die neue Ordnung und gerade, weil es ihm gelingt, die Verschwörung um den geheimnisvollen, erst spät auftauchenden Consul aufzudecken, bricht es ihm das Genick.

Das Alles ist erschreckend glaubhaft aufgebaut, zumal es dem Autor hervorragend gelingt, die Motive der handelnden Gruppierungen verständlich zu machen und es eine "Organisation Consul" ja wirklich gab, die unter anderem die Morde an den Politikern Walter Rathenau und Matthias Erzberger verübte. Die Demütigung durch den Versailler Frieden, Inflation, Massenarbeitslosigkeit und rumorender Revanchismus, es ist eine chaotische Gemengelage quer durch die Bevölkerung. Gewürzt wird dieser spannende Spekulationsroman mit viel Zeit- und Lokalkolorit, zum echten Genuss allerdings sind entsprechende historische Grundkenntnisse empfehlenswert.

 

 

# Christian von Ditfurth: Der Consul; 415 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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