ISELIN C. HERMANN: "DORT, WO DER MOND LIEGT"

"Es ist, wie nach Hause zu kommen." So empfindet es die amerikanische Journalistin Samia, als sie für ein US-Magazin für ein halbes Jahr nach Damaskus geht. Vieles erscheint vertraut, ja heimatlich, dabei war sie erst wenige Monate alt, als ihre Eltern damals mit ihr aus Syrien weggingen. Immerhin war die Suche nach der wie auch immer gearteten Vergangenheit ihr so wichtig, dass sie dafür die langjährige enge Beziehung zu ihrem jüdischen Freund Isak zerbrechen ließ.

"Dort, wo der Mond liegt" nennt Iselin C. Hermann ihren neuen Roman und er ist weit mehr als nur die überzeugend dargestellte Suche einer jungen Frau nach sich selbst. Sie ist eine Fremde hier, fühlt sich jedoch durchaus nicht als solche, obwohl so vieles ungewohnt ist und manches im Syrien von Präsident Assad junior geradezu realsatirisch anmutet. Natürlich wird auch sie überwacht und mit ihrer Körpergröße und der eher herben Schönheit fällt sie auf. Und es treten zwei neue Männer in ihr Leben, als Nadir, ihr wohlhabender Vermieter, sie unwiderstehlich findet, wogegen sie selbst sich zugleich bei einem Interview in den geheimnisvollen Gesangsstar Jameel verliebt.

Die Annäherung dieser Beiden fesselt mit subtiler Spannnung und eröffnet Szenen von erlesener dezenter Erotik. Doch während ihre erste Verliebtheit noch in Ungewissheit schwankt, lässt sich Samia auch von dem charismatischen Nadir verführen. Faszinierend sind stets die tiefen Einblicke in arabische Verhaltensweisen, denn die Autorin bleibt aufgrund eigener langjähriger Kenntnisse vor Ort nicht nur wohltuend authentisch, sie wählt außerdem eine überaus raffinierte Dramaturgie, indem sie jeden der Hauptakteure als Ich-Erzähler zu Worte kommen lässt.

Diese Wechsel der Sicht-, Denk- und Fühlweisen erzeugen eine hohe Sogwirkung, zugleich versteht sich die Autorin darauf, Gefühle mit wenigen Sätzen punktgenau zu umreißen. Ihre sinnliche Sprache und der fast nüchterne und dennoch berührende Ausdruck lassen eine ebenso poetische wie vibrierende innere Spannung entstehen. Wenn sie zum Finale noch mit einer Überraschung aufwartet, weiß der Leser: "Dort, wo der Mond liegt" ist ein Roman, den man gewiss ein zweites Mal lesen wird, denn er funkelt selbst an einem Firmament voller Sterne.