QIU XIAOLONG: "TOD EINER ROTEN HELDIN"

Ein Kriminalbeamter, der nebenher Literat ist, Gedichte schreibt und nun den Mord an einer jungen, schönen Frau aufklärt – das hört sich fast nach Konfektionsware an und ist dennoch genau das nicht. Der Autor heißt Qiu Xiaolong und sein Oberinspektor Chen Cao ermittelt im Shanghai des Jahres 1990 mit all den Tücken der 'political correctness', die man sich im China nach dem Massaker vom Platz des Himmlischen Friedens denken kann.

"Tod einer roten Heldin" nennt der seit jener Zeit in den USA lebende Autor seinen Roman und diese Guan war eine nationale Modellarbeiterin, also nicht irgendwer. Der skeptische Ermittler findet zunächst in ihrem Appartement bürgerlich-dekadente Reizwäsche und unanständige Fotos. Zunehmend aber eröffnen sich auch politische Dimensionen, denn die Tote war mit dem Sohn eines einflussreichen Funktionärs verbandelt und bald schon wird Chen von 'oben' zurückgepfiffen.

Wenn der clevere 30-Jährige nun trotzdem auf eigene Faust weitermacht, ist das nicht nur weitaus gefährlicher, als machte er dies in einem westlichen Land, es ist auch viel schwieriger. Da bremsen nicht nur die gesellschaftlichen Fallstricke und die systemangepassten Moralbegriffe, da muss er sich sogar für seinen eigenen Transport das Auto eines Freundes ausleihen. Und immer wieder gilt es, die gesellschaftliche Stellung von Befragten wie Verdächtigen mit aller Vorsicht in die eigene Vorgehensweise einzubeziehen.

Chens Weg zur Aufklärung des Verbrechens ist für westliche Leser ebenso ungewöhnlich wie auch das Finale überrascht und verwirrt. Doch gerade diese Fremdheit der Gesellschaft, der Athmosphäre und dieser teils kaum nachzuvollziehenden Gegensätze machen die Faszination dieses Buches aus. Viel Zeit- und Lokalkolorit sorgen für manch überraschend Aufschlussreiches, aber auch die beinahe Wallander-mäßigen Anwandlungen Chens von Selbstzweifeln und innerer Zerrissenheit gepaart mit dezenten erotischen Anklängen machen den so konventionell geschriebenen Roman zu einer gelungenen Mischung aus Krimi und dem Porträt einer weitgehend unbekannten Gesellschaft.

 

# Qiu Xiaolong: Tod einer roten Heldin (aus dem Amerikanischen von Holger Fliessbach); 461 Seiten; Paul Zsolnay Verlag, Wien; € 23,50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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