LEON de WINTER: "MALIBU"

"Malibu" heißt der neue Roman von Leon de Winter und der ist höchst ungewöhnlich geraten, kein wirklicher Thriller und dennoch fesselnd, wie man es von dem niederländischen Erfolgsautor gewohnt ist. Ausgangspunkt ist der 22. Dezember 2000, der 17. Geburtstag der bildhübschen Mirjam, die mit ihrem Vater Joop Koopman im kalifornischen Venice lebt. Und just an diesem Tage zu Tode kommt.

Eingangs werden die personellen 'Verkettungen', die bis zu dem Unfall führen, so enervierend pedantisch aufgeführt, dass es geradezu ironisch wirkt. Um so schräger ist der Moment, als Joop per Handy von dem Unglück hört, denn gerade versucht Philip, ein alter Freund aus holländischen Schulzeiten, den derzeit wenig erfolgreichen Drehbuchautor zu einer Mitarbeit beim Mossad zu überreden – der israelische Geheimdienst braucht jemanden, der einen in den Niederlanden geborenen Marokkaner auf unverdächtige Weise über terroristische Anwandlungen aushorchen kann.

Joop ist jedoch "der geborene Angsthase" und nach Mirjams Tod verfällt er ohnehin in tiefe Apathie. Es ist der hünenhafte Erroll, als Karategigant "Godzilla" genannt, der den gebrochenen Vater aus einem wahrhaft hehren Motiv heraus über Wasser hält: er fühlt tiefe Schuld an dem Unfall, denn auf seinem Sozius saß Mirjam, als seine Harley auf einer Ölspur wegrutschte. In bewegenden Szenen sorgen die Beiden für eine angemessene Seebestattung. Bei dem geschiedenen Joop aber bleiben Geist und Seele in Aufruhr: "Sein Gedächtnis machte Überstunden. Alles kam zurück."

Und mitten hinein platzt seine Cousine Linda, eine heiße Jugendliebe, immer noch attraktiv. Sie versucht den glaubenslosen Juden von Reinkarnation und Buddhismus zu überzeugen. Zwar vergeblich, jedoch finden die Beiden nach 30 Jahren erneut erotisch heftig zueinander. Als die Glaubensfragen sie zeitweilig entzweien, quälen Joop die ständigen Erinnerungen und der Gedanke an Mirjams zur Transplantation freigegebenes Herz steigert sich zur Manie: wo schlägt es, wie kann er die Person kennenlernen?!

Nun lässt sich Joop doch von Philip auf den charmanten Omar ansetzen, denn er braucht Geld für einen Detektiv, um den Organempfänger ausfindig zu machen. Erwartungsgemäß erweist er sich als blutiger Amateur, doch dieser Roman ist ja auch nicht wirklich ein Agententhriller. Dennoch fesselt er mit glänzender Dramaturgie bis hin zur Riesenüberraschung durch Linda und den Mönch und immer neuen Wendungen mit durchaus 'normalen' Abgründigkeiten der stets liebevoll und absolut glaubhaft gezeichneten Charaktere.

"Malibu" ist eine kühne und gelungene Mischung aus Tragödie, Agentenroman und metaphysisch angehauchter Spannungslektüre, auch wenn man auf einen auflösenden Schluss verzichten muss. Einmal mehr jedenfalls erweist sich de Winter als ebenso fantasievoller wie intelligenter Erzähler mit virtuos entworfenen Szenen.

 

 

# Leon de Winter: Malibu (aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers); 418 Seiten; Diogenes Velag, Zürich;

€ 22,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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