HELMUT NEWTON: "AUTOBIOGRAPHIE"

Nun hat Helmut Newton es selbst bestätigt: Frauen prägten sein Leben. Der Superstar unter den Fotografen, der mit erotisch gestylten Modefotos und ganzen Fotobüchern voller Nuditäten provozierte und zum Trendsetter wurde, erklärt nun im Alter glaubhaft, dass er die Frauen stets liebte und achtete und durchaus nicht als reine Sexobjekte sah.

Schlicht "Autobiographie" nennt er seinen Lebensbericht und der erzählt wohltuend offen, direkt und unverblümt. Selbstbeweihräucherung findet nicht statt, vielmehr würzt er die teils recht saftigen Erlebnisse mit ebensolchem Sarkasmus und viel Selbstironie. 1920 als Kind wohlhabender jüdischer Eltern in Berlin geboren, weckt seine attraktive Mutter schon ganz früh einen sehr körperlichen Sinn für die Schönheit der Frauen bei ihm. Allerdings war sie auch schuld daran, dass er zunächst "ein weinerlicher, verzogener Fratz" wurde.

Mit zwölf kaufte er sich die erste Kamera vom Taschengeld und bereits mit 14 hatte der frühreife Knabe den ersten Sex mit einer Illa. Es sind aufregende Zeiten für einen heftig pubertierenden Judenjungen im Berlin der Nazis. Um so begeisterter tritt er mit 16 eine Lehre bei der ebenfalls jüdischen Fotografin Yva an. Doch die Situation für die Familie Neustaedter – so Newtons erst 1946 geänderter Geburtsname – wird unhaltbar und "zwei gute Deutsche" helfen mit, dass Helmut 1938 mit fünf Dollar in der Tasche fliehen kann.

Mit viel Zeit- und Lokalkolorit schildert Newton die folgende Zeit in Singapore als absoluter Habenichts. Dem alsbald erneut eine Frau zum Wohlergehen verhilft, die reife Josette. Bis 1940 die Japaner anrücken und er nach Australien interniert wird. Nach entbehrungsreichen Jahren kommt 1946 das erste kleine Studio, Liebschaften hat er en masse, bis er schließlich die Schauspielerin June Browne kennenlernt. 1948 heiraten die Beiden und manch einer wird staunen: der große Frauenfreund ist bis heute mit dieser seiner großen Liebe verheiratet!

Nach kleinem beruflichen Anfang kommen nun die Sprünge nach oben, 1956 wird London zwar zur Enttäuschung, 1957 in Paris aber läuft es schon besser und nach einem Zwischenspiel in Melbourne kommt ab 1961 die große Zeit als Modefotograf in Paris. Newton setzt Trends in der Modefotografie, prägt den Stil nicht nur der "Vogue" mit seinen provokanten Fotos. Es sind kreative Zeiten und Newton inszeniert die Frauen als herausfordernd stark und erotisch. Die heftige Selbstausbeutung des ehrgeizigen Künstlers führt zum Kollaps, dennoch macht er Furore mit "White Women" und seine Aktfotografien verschaffen ihm Weltruhm.

Newton berichtet durchaus selbstkritisch und der Stolz auf die Erfolge kommt ohne jede Überheblichkeit aus. Wenn ihm dann einige Kritiker verübeln, dass er seinen Bericht mit dem Umzug nach Monaco 1982 vorzeitig enden lässt, sollten sie einfach seine Begründung dafür akzeptieren: "Ich beende hier diese Biographie, weil Menschen, die am Ziel angekommen sind, die nicht mehr hungrig sind, uninteressant sind. Der Weg, nicht das Ziel – darum geht es in diesem Buch."

Immerhin fügt Newton der Vita noch "Teil II – Die Arbeit" an mit Aufschlussreichem über Arbeitsweisen, berühmte Modelle und aufregende Fotosessions. Ein Mensch und ein Künstler, Leben und Werk auf das engste miteinander verknüpft – und eine Autobiographie, die fesselt wie ein spannender Roman.

 

# Helmut Newton: Autobiographie (aus dem Englischen von Rudolf Hermstein); 335 Seiten, div. Abb.; C. Bertelsmann Verlag, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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