RICHARD YATES: "ZEITEN DES AUFRUHRS"

Der amerikanische Schriftsteller Richard Yates (1926-1992) war in seiner Heimat trotz hervorragender Werke fast in Vergessenheit geraten, während er bei uns überhaupt erst jetzt zu entdecken ist. "Zeiten des Aufruhrs" gilt als sein Meisterwerk und tatsächlich hat dieser bereits 1961 im Original erschienene Roman bis heute nichts von seiner literarischen und inhaltlichen Strahlkraft verloren.

Die Kritiker waren schon damals begeistert, das Publikum dagegen nicht, denn zu entlarvend schildert da ein Wortgewaltiger mit unentrinnbarer Logik die Illusionen der Vorstadtidylle, diesem uramerikanischen 'suburbian dream' vom großen Glück in "diesem Spielzeugland mit seinen weißen und pastellfarbenen Häusern" und der durch nichts zu erschütternden Fröhlichkeit in der Siedlung. Man schreibt das Jahr 1955, Frank und April Wheeler sind Ende 20, haben zwei Kinder und sind das typische Ehepaar einer solchen Szenerie.

Er ist ein mittelprächtiger Angestellter mit ebensolchem Job in der City und so gut wie keinen Eigenschaften. April ist eine hübsche, aufstrebende Theaterschauspielerin ohne viel Persönlichkeit. Ihre Karriere scheitert peinlich und sie langweilt sich tödlich. Beide trinken reichlich, finden die steten Nachbarschaftsgeselligkeiten entsetzlich öde. Und immer öfter klagen sie über dieses Vorstadtleben, doch als April die romantische Vorstellung entwickelt, mit der Familie nach Frankreich und zu neuen Erfahrungen umzusiedeln, ziert sich Frank. Er hat inzwischen eine billige Affäre mit einer Kollegin und noch mehr lähmt ihn der Gedanke an wirkliche Veränderungen.

Die Kommunikationsunfähigkeit der Beiden führt zu immer mehr Streitereien bis zum offenen Schlagabtausch und als sie die Umzugsvorbereitungen schließlich aufgeben, verlieren sie den letzten Halt und rutschen in ein tragisches Ende. Keiner von ihnen hatte klare Vorstellungen von dem, was er wirklich wollte oder wenigstens davon, wer er selbst ist. Bis zur Unkenntlichkeit angepasst, folgte jeder den vorgegebenen Konventionen und Zerstreuungen und unsichtbar hängt ein dauerhaft grauer Himmel über dem vermeintlichen Vorstadtglück.

Yates hat dabei Konstellationen geschaffen, wie man sie aus den ach so heiteren Doris-Day-Komödien der frühen 60er Jahre kennt, nur dass hier das Fröhliche und Daueroptimistische in die tiefgrauen Missstimmungen von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" umgeschlagen ist. Das Personal wird in dieser kunstvollen und klaren Sprache mit all seiner Unsäglichkeit entlarvt und es entstehen großartige Szenen von grell satirischer Komik, wo die ameisenhafte Ernsthaftigkeit der Protagonisten in all ihrer durchschimmernden Lächerlichkeit ein geradezu zynisches Grinsen hervorruft.

Kein Wunder, dass das Publikum diese hellsichtige Durchleuchtung des American Way of Life damals als dreiste Infragestellung des Traums von Millionen ablehnte. Erst später wurde das Werk in den USA ein Klassiker und nicht umsonst genießt dieser Roman über selbstinszenierte Illusionen inzwischen Kultstatus.

 

 

# Richard Yates: Zeiten des Aufruhrs (aus dem Amerikanischen von Hans Wolf); 376 Seiten; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

 

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