STEPHEN DAVIS: "DIE STONES"

Ist das vorstellbar: gut 40 Jahre ist es her, dass die beiden Möchtegernmusiker Mick Jagger und Keith Richard bei Alexis Korner's Bluesband einen gewissen Brian Jones spielen hörten und daraus bald eine eigene Bluesgruppe entsteht, die noch heute von Millionen Fans gefeiert wird? Rolling Stones nannte Jones sie damals im Sommer 1962 als Referenz an einen Hit der verehrten Blueslegende Muddy Waters.

"Die Stones" heißt auch die hervorragend gemachte Monografie, die Stephen Davis dazu geschrieben hat. Die erste seit fast 20 Jahren und so lebensprall und detailliert erzählt wie ein gut erfundener Roman. Waren das sechs Freunde, die sich da zusammenschlossen? Wahrlich nicht, wenn man die Linkereien von Brian Jones bedenkt, der ein Instrumenten-Zauberer war aber auch ein Psychot auf voller Dröhnung bis zum frühen Tod. Legendär bis auf den heutigen Tag ist die Hassliebe zwischen dem charismatischen Faun Mick Jagger und dem düsteren Exzentriker Keith Richard, während Charlie Watts zwar ein wenig unheimlich wirkt, jedoch stets der unerschütterliche Familienvater geblieben ist.

Schließlich war da noch Bill Wyman, älter und stoischer, der erst richtig ausflippte, als er bereits aufs Rentenalter zuging. Und dann war da noch Ian Stewart, der schon früh als Einer zuviel ausgebootet wurde und nur noch als Begleitmusiker mitmachen durfte. Davis schildert die überaus deftigen frühen Jahre, in denen Marketing-Genie Andrew Loog Oldham die Stones als den rüpeligen Gegenentwurf zu den Beatles zum Gipfel puschte, mit so viel Zeit- und Lokalkolorit, dass man die wilden Jahre des 'Swinging London' hautnah nachempfindet. Nur wenige lebten so intensiv nach der Maxime "Sex & Drugs & Rock 'n' Roll" wie die Stones. Das wurde ab 1967 zeitweilig höchst bedrohlich, doch gerade da entstanden auch die besten Alben wie "Beggar's Banquet" und "Let it bleed".

Nach den zehn wildesten Jahren gab es musikalisch zwar nur noch wenig Überdurchschnittliches, doch die Hype blieb nicht nur ungebrochen – die Rolling Stones entwickelten sich endgültig zur 'größten Rock & Roll Band der Welt' und sind längst mehr als nur eine erfolgreiche Musikgruppe. Neue Alben werden eher pflichtschuldigst eingespielt, man hatte Personalwechsel und geht sich längst ziemlich oft aus dem Weg. Dennoch ist eine abschließende Biografie nicht möglich, denn gerade laufen die Vorbereitungen für die nächste Riesentournee der Herren Rock-Großväter!

Nicht nur Stones-Fans werden ihre helle Freude an diesem neuen Standardwerk der Rockmusik haben. Und Davis hat gewiss recht mit seinem Fazit: "Sie begannen als Gruppe halb verhungerter junger Außenseiter und endeten als kapitalistisches Offshore-Unternehmen, das mit jeder Tournee Abermillionen erwirtschaftet."

 

 

# Stephen Davis: Die Stones (aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Cäcilie Plieninger); 687 Seiten, div. Abb.; Europa Verlag, Hamburg; € 28,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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