PHILIPPE DJIAN: "SCHWARZE TAGE, WEIßE NÄCHTE"

"Auf gewisse Weise bin ich schon tot", stellt der Schriftsteller Francis in Philippe Djians neuem Roman "Schwarze Tage, weiße Nächte" schon auf Seite 1 fest. Doch mag Ich-Erzähler Francis auch seit zwei Jahren Witwer sein, Probleme mit der Steuer und der Welt an sich haben und beruflich abgewrackt sein - er ist bei weitem nicht so erkaltet und versachlicht wie ein Houellebecq oder eine Millet.

Dieser Djian brodelt vor Hitze, vor abgründiger Leidenschaft und der verrückte Roman knistert entsprechend von Beginn an höchst sinnlich, als wolle er in seiner Triebhaftigkeit einen Henry Miller wahrlich alt aussehen lassen. Spätestens nach den ersten 100 Seiten enthüllt sich die Geschichte vollends als pornographisch, heftig und mit klaren, eindeutigen Worten.

Mit Edith, der verstorbenen großen Liebe, hält der Ich-Erzähler eine ständige ans Schizophrene grenzenden Zwiesprache und von ihr nimmt er den Rat an, sich mit einem Porno-Roman aus der Misere zu schreiben. Pornographie sei eine äußerst schwierige Kunst, räsoniert Francis, denn: "Der gekonnte Umgang mit Obszönitäten ist eine seltene Gnade". Doch Kultautor Djian gehört wie sein alter ego Francis zu diesen Begnadeten und er lässt in einem seltsam vertraulichen Dialog mit dem Leser eine furiose Geschichte entstehen, die von ungezügelter Lasterhaftigkeit durchzogen ist.

Francis segelt im Windschatten des jüngeren Kollegen Patrick, dessen aktueller Erfolg mit Eheproblemen und Seitensprüngen einhergeht. Patricks Frau Nicole ist ebenso frustriert wie sexuell exaltiert, um so besser trifft es sich, dass sie in Francis einen Liebhaber aus jungen Jahren wiedererkennt. Was nicht ohne Folgen bleibt und dann ist da noch die sehr attraktive Olga mit ihren verqueren erotischen Obessionen, die einer deftigen und dennoch erlesenen Menage à trois den überschäumenden Pfeffer gibt. Ganz nebenher treiben die beiden Herren noch Testläufe für ihre Romane, die sich ausschließlich um ein zentrales Thema drehen.

Das Geschehen wandert dann hin und her als selbstironische bis sarkastische Posse zwischen Francis und Patrick, wenn der Erfolgreiche der Pop-Ikone Madonna hinterdrein schmachtet und zugleich unter Nicoles Kälte leidet, während der abgewrackte Francis ebendiese heimlich und heftig vernascht. Bis es schließlich all die obsessiven Akteuere in ein düster-orgiastisches Finale treibt, mit dem der Autor endgültig Henry Miller weit hinter sich lässt.

"Schwarze Tage, weiße Nächte" ist ein verwegener Parforce-Ritt durch ein Labyrinth der Lüsternheit und der Gefühlsverirrungen. Pornographisch, ja, gleichwohl Literatur von Meisterhand und nicht umsonst monatelang ein Bestseller in Djians Heimat.

 

# Philippe Djian: Schwarze Tage, weiße Nächte (aus dem Französischen von Uli Wittmann); 420 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 21,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: Bel 157 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de