GÜNTER SEUREN: "JENSEITS VON WIMBLEDON"

Natürlich ist Deutschlands Tennisgöttin eine öffentliche Person, auch in diesem Sommer 1999 zwischen Wimbledon und der großen Sonnenfinsternis. Das zu erwartende Wehgeschrei der Nation, das aufbrausen würde, wenn die geliebte Blonde mit der starken Rückhand aufhören wollte, ist geradezu spürbar. Und da erdreistet sich ein mittelprächtiger Schriftsteller und überdrehter Tennisfan, dieses allen gehörende Idol zu entführen?!

Ein wahres Schurkenstück ist das, aber weniger wegen des kriminellen Aspektes als wegen der tatsächlichen Geschehnisse, die die Öffentlichkeit so nie erfahren dürfte, denn – diesen köstlichen Roman "Jenseits von Wimbledon" hat der scharfzüngige Günter Seuren als blendende Satire mit elegeantem leichten Florett geschrieben. Ist die 30-jährige Tenniskönigin etwa entsetzt oder verängstigt, als der Ich-Erzähler sie zu der maroden Villa an einem entlegenen bayerischen See bringt? Mitnichten.

Sie fasst es eher als willkommene Abwechslung vom ewigen Sport- und Starrumel auf und genießt ganz unaufgeregt das gute Essen und den noch von früheren Gelagen des Hausherrn übrig gebliebenen Schampus. Während die Nation in besorgter Aufruhr ist, wird es in der Villa geradezu verschmitzt amüsant, denn nun erscheint auch noch Zeidler, ein Freund des Entführers. Der gealterte Schauspieler war angeblich gestorben, als er sich vor einiger Zeit über einen verschlagenen Matchball der Tennisgöttin zu sehr aufgeregt hatte. Zeidler sorgt für einigen Wirbel, es werden Lösegeld-Varianten ausbaldowert und er ist ganz nebenher eifersüchtig.

Geld allerdings ist ohnehin ein allenfalls zweitrangiges Motiv des Entführers gewesen, der schließlich sogar überraschend wenig Mühe hat, auch noch zum Verführer zu werden. "Von jetzt an lieben wir das Leben. Wenigstens heute", stellt das Trio irgendwann fest, doch wie das durchtriebene Verwirrspiel weitergeht, soll hier nicht verraten werden. Das Alles ist so geistreich, flott und frech geschrieben, dass man Autor Günter Seuren seine 70 Jahre wirklich nicht glauben mag. Der Stoff schreit im Übrigen nach einer Verfilmung und eine gewisse Stefanie Graf im fernen Las Vegas wird sich garantiert nicht grämen über gewisse Ähnlichkeiten....

 

# Günter Seuren: Jenseits von Wimbledon; 216 Seiten; Eichborn Verlag, Frankfurt am Main; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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