JÜRGEN TRIMBORN: RIEFENSTAHL: EINE DEUTSCHE KARRIERE

Am 22. August ist ihr 100. Geburtstag: Leni Riefenstahl, die umstrittenste Künstlerin des 20. Jahrhunderts. Sie war Hitlers Lieblings-Regisseurin und sie schuf in seinem Auftrag Meisterwerke des Propagandafilms wie "Triumph des Willens" und den Film über die Olympiade von 1936 in Berlin.

Sie selbst bestreitet bis heute ihre enge Verflechtung mit dem Nazi-System, sie sei nur eine unpolitische Künstlerin gewesen, die auf Hitlers Befehl jene Filme gedreht habe. Ebenso vehement streitet sie jeglichen Antisemitismus und die Kenntnis von Judenmorden ab und zieht gegen solche Behauptungen vor die Gerichte. Um so verdienstvoller ist Jürgen Trimborns umfassende kritische Biografie "Riefenstahl. Eine deutsche Karriere", die viele Widersprüche aufdeckt und vieles von der seit Kriegsende selbstinszenierten Legendenbildung mittels bisher teils unbekannter Quellen als Lügen entlarvt.

Der junge Filmwissenschaftler geht über vielfach Abgehandeltes wie das von der damals 30-jährigen Schauspielerin bereits 1932 initiierte Vier-Augentreffen mit dem aufstrebenden Nazi-Führer in Wilhelmshaven und die Arbeit an den Monumentalfilmen weit hinaus. Die enge persönliche Beziehung zu Hitler, die sogar zu Gerüchten über Intimeres führte, und ihr Aufstieg zur "Filmemacherin des Führers" waren nicht das Werk einer naiven Künstlerin sondern das zielstrebige Werk einer von sich selbst geradezu fanatisch überzeugten Egomanin, die willig einen Pakt mit dem Teufel einging und ihn weidlich zu einer sonst kaum denkbaren Karriere nutzte.

Trimborn belegt es mit vielen Fakten und Zeugenaussagen und entlarvt die massive Geschichtsklitterung in ihren Memoiren. Schon 1937 schwärmte sie gegenüber den 'Detroit News' im Interview: "Für mich ist Hitler der größte Mann, der je gelebt hat." Auch ihre Abscheu vorm Antisemitismus wird ad absurdum geführt, denn der Autor beweist ihre langjährige enge Freundschaft zu Julius Streicher, dem schlimmsten antijüdischen Hetzer des Reichs überhaupt.

Und die Widerlegung der jahrzehntelangen Reinwaschversuche deckt die fast vergessenen Einsätze der Regisseurin im Polen-Feldzug von 1939 auf. Sie trifft dort nicht nur zweimal mit Hitler zusammen, sie wird auch Augenzeugin eines frühen Massakers an Juden – wovon es sogar Fotos gibt. Es wird deutlich, um wie viel größer ihre Verstrickung in das System war, wie sie es genutzt hat und ihm dienlich war als politische Künstlerin und Karrieristin zugleich. Die genau recherchierte Biografie zeigt eine unbelehrbare Egozentrikerin, die sich 1945 trotz ihrer tatsächlichen Rolle sogar bei den US-Verhören einen Persilschein erschwindelte.

Margarete Mitscherlich nannte die späteren Memoiren einen "Triumph der Verdrängung", Trimborn wiederum identifiziert die Riefenstahl als eine Symbolfigur dafür, wie man mit seiner Vergangenheit nicht umgehen darf. Als Fazit des exzellenten Werkes drängt sich auch angesichts der späteren künstlerisch zwar exquisiten, moralisch aber teils zweifelhaften Arbeiten die Frage auf: muss man Leni Riefestahl trotz allem verzeihen, nur weil sie inzwischen so alt ist?!

 

# Jürgen Trimborn: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere; 600 Seiten, div. Abb.; Aufbau-Verlag, Berlin; € 25

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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