J.M.COETZEE: "WARTEN AUF DIE BARBAREN" "Schande"
von John Marie Coetzee erregte 1999 die Gemüter und schon vorher gehörte der
Südafrikaner zu den herausragendsten Schriftstellern unserer Zeit. Seine große
Meisterschaft als Erzähler mit hohem ethischen Anspruch jedoch stellte er bereits 1980
mit seinem Roman "Warten auf die Barbaren" unter Beweis. Nun liegt dieses
zentrale Werk des vielfach prämierten Autors auch auf Deutsch vor. In der
Ästhetik seiner knappen, klaren Sprache, die nichts übertreibt aber auch nichts missen
lässt, führt er den Leser als Ich-Erzähler in die namenlose kleine Grenzstadt eines
ebenso gesichtslosen Reiches. Hier hat der alternde Magistrat viele Jahre loyal dem Staat
gedient. Es waren ruhige Zeiten und mit den jenseits der Wüste hausenden Nomaden gab es
nur gelegentlichen Handelskontakt. Nun aber
kommt eine Spezialtruppe von der Hauptabteilung III aus der fernen Hauptstadt, denn
angeblich bedrohen die Barbaren eben jene rückständigen Nomaden das Reich.
Oberst Joll lässt Gefangene verhören, um mehr von der geheimnisvollen Barbarenarmee zu
erfahren. Die Befragung hinterlässt Tote und Verkrüppelte. Der
Magistrat ist erschüttert, denn die Gefangenen wurden im Sinne des Wortes barbarisch
misshandelt. In einem Akt hilflos naiver Wiedergutmachung nimmt er ein fußlahmes und
geblendetes Barbarenmädchen zu sich und pflegt es. Allmählich entsteht eine eigenartige,
fast unerotische Intimität zwischen den beiden, die seltsam berührt. Nach dem Winter
bringt er das Mädchen schließlich unter beschwerlichen Bedingungen zu seinem Volk
zurück. Als er
heimkehrt, hat der Feldzug gegen die Barbaren begonnen und der Magistrat wird wegen
"landesverräterischer Feindkontakte" festgenommen. Während die Armee die
Barbaren in einer Art Präventivkrieg zu fassen versucht, erleidet der Alte schlimme
Demütigungen und Folter. Er kannte die Barbaren, er war stets liberal und tolerant
gewesen das macht ihn verdächtig. "Ich wollte nicht mit hineingezogen
werden", sagt er einmal, doch als Diener des Reichs hat er seine Unschuld verloren,
denn dieses Reich handelt nach dem Grundsatz, dass es höhere Belange als die des
menschlichen Anstandes und der geltenden Gesetze gibt. "Warten
auf die Barabaren" stellte damals in den Zeiten des Apartheidsystems die Frage nach
der Würde und der Verantwortung des Einzelnen. Das Unrechtsregime wurde überwunden, die
Frage aber ist auf beklemmende Weise gegenwärtig geblieben. Auch deshalb ist dieses
großartig geschriebene Buch noch heute höchst aktuell. |
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# J.M.Coetzee; Warten auf die Barbaren (aus dem Englischen von Reinhild Böhnke); 284 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; 19,90
WOLFGANG A. NIEMANN
(wan/JULIUS) |
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