HELEN De WITT: "DER LETZTE SAMURAI"

"Der letzte Samurai" dürfte der mit Abstand ungwöhnlichste Roman des Jahres sein und er handelt nicht wirklich von japanischen Edelkriegern. Im Mittelpunkt von Helen De Witts Erstling steht vielmehr das Wunderkind Ludovic, aus einer Einmalbegegnung seiner Mutter Sibylla mit dem Erzeuger hervorgegangen.

Während sich die hochgebildete Frau mit dem abgebrochenen Studium mühsam mit anspruchsvollen Gelegenheitsarbeiten durchs Leben schlägt, sorgt der kleine Ludo bei Fremden für völlige Verwirrung und bei Sibylla für Sorge und manches Händeringen. Mit vier Jahren liest er die Odyssee im Orginal, lernt reihenweise Sprachen und was immer der wissbegierige Kleine an Wissen anhäuft, gleich folgt die Frage "Was bedeutet das?"

Wie ein roter Faden zieht sich durch den höchst unkonventionell komponierten, dabei jedoch allmählich auf Touren kommenden Roman der Lieblingsfilm von Mutter und Sohn, Kurosawas Meisterwerk "Die sieben Samurai". Natürlich auch Anlass für Ludo, alsbald Japanisch in Wort und Schrift zu lernen, was Dank seiner polyglotten Mutter auch möglich ist. Kaum verwunderlich ist dagegen, dass es quasi unmöglich für Ludo wird, dann mit sechs Jahren der Schulpflicht nachzukommen. Gleich in den ersten Tagen wird er zum Störfaktor, als er statt der Zahlen bis 10 lieber das distributive Prinzip der Multiplikation übt.

Unersättlich ist sein Bildungshunger, dennoch wächst er zu einem sympathischen Jungen heran. Der jedoch eine große Wissenssehnsucht nicht stillen kann: standhaft verweigert ihm seine Mutter den Namen seines Vaters. Und so verwandelt sich die Botschaft des Samurai-Films für ihn allmählich zu einer zentralen Aufgabe - er will seinen Vater finden. Nach dem Motto "Ein guter Samurai wird den Schlag abwehren" konfrontiert er nun sieben sehr unterschiedliche, jeder auf seine Weise außergewöhnliche Männer mit der Aussage, er sei ihr Sohn. Es kommt zu seltsamen Begegnungen, doch Einzelheiten und Ergebnisse seien hier nicht verraten.

Dieser Roman ist ausgesprochen anspruchsvoll, ein Leseabenteuer für gebildete Rätselfans und eine literarische Tour de Force. Wer sich jedoch darauf einlässt und genügend Geduld für eine verzwickt geschriebene Geschichte aufbringt, der wird bald merken: "Der letzte Samurai" hat alle Ingredienzen, um ein Kultbuch der intellektuellen Art zu werden.

 

 

# Helen De Witt: Der letzte Samurai (aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann); 505 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 24.90     WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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