UNNI DROUGGE: "HELLA HELL"

Unni Drougge ist studierte Psychologin, fünffache Mutter und Schwedens skandalträchtigste Schriftstellerin, denn Tabugrenzen überschreitet sie souverän und gekonnt. Wie mit ihrem jüngsten Roman "Hella Hell", den Tagebuch-Bekenntnissen einer Päderastin, die sich ihrer unseligen Neigung nicht schämt, zumal sie ihrer ohnehin nicht Herrin werden könnte.

"Joy Boys", ganz junge Knaben mit unbehaarter Brust erregen sie und treiben sie zwanghaft um. Man kennt die Geschichten von Männern, die selbst vorpubertäre Jungen nicht verschmähen, sich an ihnen vergehen und durchweg größte Abscheu dafür ernten. Doch was Hella Hell macht, ist dem sehr ähnlich in ihrem "Hunger auf Lammfleisch". Und ebenso strafbar.

Seit ihren frühen ersten sexuellen Erfahrungen mit Milchbubis ist sie unersättlich darauf. Als die Tochter einer kühlen Ärztin, die mit sechs Jahren ihren Vater verliert, dann beruflich erfolgreich ist und ihre Perversionen ihren Aufstieg bedrohen, gelingt ihr tatsächlich eine Art Ausstieg. Sie heiratet den deutlich älteren Henry, Lola wird geboren und ihre Triebe unterdrückt sie mit Valium. Bis Henry fremdgeht. Nun dreht Hella wieder voll auf und begegnet mit 40 Jahren als attraktive, finanziell unabhängige Frau dem knapp 14-jährigen Jocke. Sie verfällt ihm geradezu obsessiv.

Der Junge genießt die verbotene frühe Liebesschule mit der hemmungslosen Frau und auf einer längeren Reise durch Südeuropa lassen sie keine Variante aus. Zugleich gewinnt Jocke immer mehr Macht über sie. Nach dem Sommer der Gelüste aber eskalieren in der Heimat die Probleme mit der Schule, mit der inzwischen 15-jährigen aufsässigen Tochter und Hellas Leben gerät vollends aus den Fugen.

Die Bekenntnisse dieser intelligenten jedoch triebbesessenen Frau sind sowohl dramaturgisch wie auch psychologisch zu einem Meisterwerk geraten, das verstört. Nur schwer vermag man Mitlied mit der ausschweifenden Hella zu entwickeln und doch ist diese tragische Geschichte menschlich bewegend. Dafür sorgen neben der schonungslos offenen, meist nüchternen und oft provozierenden Sprache auch Einschübe grimmigen Humors. Wie Hellas späte Einsicht: "Sogar das Beste im Leben besitzt einen Schließmuskel."

 

# Unni Drougge: Hella Hell (aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs); 379 Seiten; Europa Verlag, Hamburg; € 19,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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