GWEN EDELMAN: "ERZÄHL MIR VOM KRIEG"

Sie begegnen einander in einer altmodischen New Yorker Buchhandlung, die junge Kitty und der alternde Wiener Jude. Es ist ein anmaßender Charme, mit dem er sie betört und noch am selben Nachmittag in seiner Wohnung verführt. Er ist schlampig, stiernackig und zugleich mit seiner weißen Mähne und den schweren dunklen Augen eine Erscheinung von einem Mann, wie man sich landläufig einen Star-Dirigenten vorstellen mag.

Diese ersten Stunden in seiner stets verdunkelten Wohnung sind der Beginn einer obsessiven, verzehrenden Leidenschaft. Doch die Stunden am Küchentisch oder im Bett sind auch Zeiten des Geschichtenerzählers, denn dieser Joseph Kruger hat ein bewegtes Leben hinter sich und erweist sich immer offensichtlicher als ein Getriebener, ein Heimatloser, ein Mann aus einer anderen Welt und einer anderen Epoche und hier in diesen schmuddeligen vier Wänden haben die Beiden ein kleines gemeinsames Universum auf Zeit gefunden.

"Erzähl mir vom Krieg" hat Gwen Edelman ihren elegant gewobenen Debütroman genannt, aber genau das möchte die erst 32-jährige Kitty immer seltener, denn Joseph ist erfüllt von Erinnerungen an Flucht, an Verstecken vor den Nazis, an Palästina, an zahllose Frauen, die er geliebt und verlassen hat, die ihn gerettet oder enttäuscht haben. Da ist vieles beklemmend und immer wieder spürt sie eine große Einsamkeit und sarkastische Traurigkeit an diesem ehemals als Kafka der Nachkriegszeit gerühmten Theaterschriftsteller.

Zugleich knistert es höchst erotisch, denn Joseph ist auch mit 60 noch unersättlich und fasziniert Kitty ein ums andere Mal mit seiner Unmäßigkeit. Doch selbst in innigster, mit Delikatesse geschilderter Zweisamkeit lässt ihn die Vergangenheit nicht los: "Der Krieg wird nie vorbei sein."