JOSE PABLO FEINMANN: DIE VERBRECHEN DES van GOGH"

 Vorsicht, lieber Leser, Sie sollten unbedingt allein sein, wenn Sie "Die Verbrechen des van Gogh" lesen, man könnte Sie sonst für verdorben halten, weil Sie sich garantiert köstlich über diese abgrundböse Geschichte amüsieren werden. Vorausgesetzt, Sie haben einen Sinn für ebenso deliziösen wie maliziösen schwarzen Humor.

 Dabei hat der neue Roman des argentinischen Kultautors José Pablo Feinmann einen eher holprigen Einstieg mit dem einzelgängerischen Film-Freak Fernando Castelli. Der denkt überwiegend in Filmszenen und träumt davon, das ultimative Drehbuch für die größte jemals erzählte Story zu schreiben. Er verdient den Unterhalt für sich und das rollstuhlgefesselte Scheusal von Mutter mit Jobs bei einer Videothek und als Kaffeeholer in der Produktionsfirma "Todofilm".

 Eine 30-jährige Randexistenz, deren Traum nur von ihrem Über-Ich, dem immer häufiger persönlich erscheinenden Jack the Ripper, geteilt und gefördert wird. Da naht die Chance seines Lebens, denn er belauscht Greta Toland, allmächtige Chefin der Todofilm, die über den Mangel an fantasiereichen Drehbüchern klagt. Ein Film wie "Basic Instinct", mit weniger Sex, dafür aber mit einem echten Serienmörder, das hält sie für einen untrüglichen Anheizer.

 Fernando spricht sie an und verspricht ihr in einem brillanten Dialog verwegen: "Ich werde die Wirklichkeit erschaffen, die Sie brauchen!" Und Jack the Ripper unterweist ihn, denn er weiß, es gibt ein paar Menschen zu viel in Fernandos Leben. Zur Methode gehöre für jeden wahrhaft großen Serienmörder das Hinterlassen einer Markierung. Fernando ist ein gelehriger Schüler und mit makabrer Zielstrebigkeit folgt die erste Tat. Wobei er kühl bis ans Herz bleibt: erst der Mord, dann die Niederschrift fürs Drehbuch. Diabolisch erfolgversprechend dabei der Regieeinfall, dem Opfer ein Ohr abzuschneiden und mit "van Gogh" zu signieren. Und wenn die schöne Moderatorin Ana per Fernsehen diesem dann den Krieg erklärt, erhöht das nur die Aufmerksamkeit des sensationshungrigen Publikums. Auch in Argentinien.

 Wirklichkeit, Fantasie und Film fließen ineinander über und sorgen für immer neue Überraschungen. Zumal Fernando von skurrilen Typen umgeben ist, die so echt sind wie das wahre Leben und so gut erfunden wie Colombres, der mit Fernando befreundete Kommissar von der traurigen Macho-Gestalt und seinen Frauengeschichten. Fernando füllt sein Drehbuch mit immer neuen "true stories". Bis die Zahl der Morde durcheinander gerät - doch mehr soll hier nicht verraten werden.

 Auf jeden Fall entwickelt dieser Roman eine grandiose Sogwirkung bis zum filmreifen (was sonst!) Finale. Bis dahin gönnt der Autor dem Leser einen hinterhältigen Riesenspaß der ganz gemeinen Sorte. Da glitzern herbe Dialoge zwischen Fernando und seinem Über-Ich, da lässt Feinmann den Medien bitterböse Satire angedeihen und die komplizierte Liebesgeschichte zwischen der aparten Ana und dem schüchternen Serienmörder erhält jenen Hauch zartbittrer Tango-Melancholie, der einen beinahe seufzen lässt. Und immer wieder schießt es dem Leser ins Lachen bei all dieser verqueren schwarzhumorigen Logik. Doch bitte, lachen Sie leise, damit andere nicht merken, an welch teuflischem Lesegenuss Sie sich da gerade himmlisch ergötzen!

 

# José Pablo Feinmann: Die Verbrechen des van Gogh (aus dem Spanischen von T. Brovot und C. Hansen); 292 Seiten; Verlag Antje Kunstmann, München; € 21.90

                   WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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