PAUL KAUFMANN: "EIN KERL IN SAMT UND SEIDE"

Nicht umsonst ziert Till Eulenspiegel das Cover von Paul Kaufmanns jüngstem satirischen Geniestreich, wenngleich dieser moderne Till "Ein Kerl in Samt und Seide" ist, so auch der Titel. Franz Joseph M. heißt er, wäre fast Bundespräsident der österreichischen Republik geworden - wenn man ihn nicht wegen dieses peinlichen Lachanfalls bei einer öffentlichen Ehrung hätte in die Heilanstalt einliefern müssen. Und nun erscheint da plötzlich eine sehr unübliche, ja völlig unverschämte Todesanzeige.

Doch halt - der Herr Ex-Minister ist nur "irrtümlich verstorben"! Seine karriergeile Gattin Corinna ist gar nicht Witwe, Franz-Joseph fühlt sich in der Klapse ausgesprochen wohl und die Regierung hat ein Problem. Den Kerl entmüdigen lassen? Könnte schädlich wirken, also positiv denken, sich mit dem langjährigen Parteifreund schmücken, ihn zur Legende machen. Sein ehemaliger Sekretär, nebenher auch ehemals heimlicher Liebhaber der attraktiven Corinna, wird als Memoirenschreiber eingesetzt.

Nun aber beginnt ein köstlich haarspalterisches Verwirrspiel, denn der Klapsen-Professor stellt bei Franz-Joseph fest: "Sein Tod hat ihn belebt." So sehr, dass er nun fleißig "Anti-Memorien" verfasst, entlarvend, skandalös und für allerlei Leute von Rang peinlich oder unangenehm. Und es passiert ein schlimmes Malheur: einiges sickert durch. In die Öffentlichkeit! Da sorgen dann die Medien schon dafür, dass aus dem zunächst verteufelten ex-ministerialen Heilanstalts-Insassen im Nu eine Lichtgestalt und gar ein Robin Hood der Demokratie gezaubert wird.

Dieser Franz-Jospeh, der sich fortan Till nennen lässt, ist ein neuzeitlicher Schweijk, nur dass er ein wenig gebildeter ist und statt eines amtlich anerkannten Vollidioten als amtlich bestallter Halbidiot Politkarriere gemacht hat. So ist der ganze Roman ein hoch amüsantes und oft gallig satirisches Stück Kabarett vom Feinsten. Alles wird wunderschön amtsösterreichisch akribisch dargelegt und die grenzenlose Verrücktheit als Normalfall der Republik - und wahrlich nicht nur der Wienerischen! - enttarnt. Immer möchte man ihn küssen, diesen Franz-Joseph, für so viel Impertinenz zugunsten der Wahrhaftigkeit.

Selbst nach dem endgültigen Ableben foppt der neue Till die Nachwelt noch und nur Betroffene können diesen Reigen der Eitelkeiten nicht herzhaft genießen. Und wenn da vieles einen extrem hohen Wiedererkennungswert hat, absurd, grotesk und dennoch sooo real erscheint, könnte das einen simplen Grund haben: Paul Kaufmann war selbst zwölf Jahre Mitglied des Parlamentes.....

 

 

 

# Paul Kaufmann: Ein Kerl in Samt und Seide; 317 Seiten; Kremayr & Scheriau, Wien; € 21

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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