PABLO NERUDA: "HUNGRIG BIN ICH, WILL DEINEN MUND"

Pablo Neruda (1904-1973) war einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts und 1971 erhielt der für seine leidenschaftliche Lyrik gerühmte Chilene den Literaturnobelpreis. Prägte sein Werk in frühen Jahren die große Melancholie und waren es später neben den politischen Gedichten und Oden auch jene, die sich seinem Herkommen und der Geschichte seines Landes widmeten, so gab es doch auch jene 100 Liebessonette, die Neruda 1959 im Eigenverlag herausbrachte.

Im Gegensatz zu den berühmten exstatischen "Versen des Kapitäns" schrieb er sie in Ruhe und Verklärung als Geschenke des Liebenden an die geliebte Frau. Und er behandelte sie selbst lange Zeit nur sehr diskret, denn sie waren an seine Geliebte Matilde Urrutia gerichtet und damit Zeugnisse eines Ehebruchs. 1946 hatte der verheiratete Dichter sie kennengelernt und seit 1949 waren sie heimlich ein Paar, aber erst 1966 schlossen sie auch die Ehe.

In der Sammlung Luchterhand hat nun der kongeniale Neruda-Übersetzer Fritz Rudolf Fries 44 der großen Gedichte unter dem Titel "Hungrig bin ich, will deinen Mund" aus den 100 ausgewählt und ins Deutsche übertragen. Gleich das erste Sonett eröffnet die Bedeutung Matildes für den Dichter: "...du bist, was aus der Erde wächst und währt...". Doch zunächst darf niemand davon erfahren: "...ich liebe dich, wie man die dunklen Dinge liebt, heimlich, zwischen Seele und Schatten."

Es sind Huldigungen an die Geliebte mit Inbrunst und Heiterkeit und zuweilen einem Hauch dunkler Seele, wenn er "die schwarze Glut des Traumes" beschwört. Immer wieder sind es diese genialen Metaphern der alltäglichen Schönheit und der einfachen Dinge, mit denen Neruda grandiose, zwingende Bilder malt. Matilde Urrutia nannte ihn einen Dichter der Liebe und in der Tat: selten sind einer Frau schönere Zeilen zuteil geworden, wenn überhaupt. Und der vollendete Zauber dieser Lyrik erschließt sich selbst dem Spanisch-Unkundigen, wenn er die Originalzeilen neben den Übersetzungen einfach nur lautmalerisch nachempfindet.

 

 

# Pablo Neruda: Hungrig bin ich, will deinen Mund - Liebessonette (Auswahl, Übertragung, Nachwort von Fritz Rudolf Fries); 112 Seiten, spanisch-deutsch; Sammlung Luchterhand, München; € 8.50

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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