FATIN ABBAS: ZEIT DER
GEISTER
Fatin Abbas wurde im Sudan geboren, wuchs aber in den USA auf, als die Familie wegen
politischer Verfolgung flüchten musste. Inzwischen lebt die Literaturwissenschaftlerin
und Literatin in Berlin und veröffentlichte jetzt den Roman Zeit der Geister,
der tief in die Schrecken des sogenannten Zweiten Sudanesischen Bürgerkrieg eintaucht.
Eingangs stellt die Autorin fünf Protagonisten vor, die jeder für sich exemplarisch für
das Geschehen sind. Da ist zunächst Dena, die als Dokumentarfilmerin das Leben der
Menschen im fiktiven Saraaya beobachten will.
Die Stadt liegt an der Nachtstelle der späteren Grenze zwischen Sudan und dem
abgespaltenen Süd-Sudan.
Dena hat einiges mit der Autorin gemein, denn auch sie wuchs als gebürtige Sudanesin in
Amerika auf. Alex dagegen ist ein echter US-Boy und hat einen Auftrag als Kartograf für
die hiesige NGO. Er ist übermäßig von sich überzeugt und meint nur, überhaupt
irgendetwas von diesem komplexen Land zu wissen.
Viel wichtiger aber sind die Einheimischen William und Layla sowie der zwölfjährige
Mustafa, ein Streuner aus ärmlichen Verhältnissen. William kommt aus dem Süden und wird
als sogenannter Nilote von Beginn an diskriminiert. So muss der gut ausgebildete
freundliche Mann froh sein, dass ihm die NGO als Dolmetscher anstellt.
Bald schon nimmt er etliche weitere Aufgaben dort wahr und verliebt sich in die
Köchin der Einrichtung, die Nomadin Layla. Obwohl eine solche Verbindung zwischen dem
Katholiken und der Muslima schon grundsätzlich manchen missfällt, werden sie ein Paar.
Währenddessen versucht Mustafa, der einfach nur von ein wenig Geldverdienen träumt, sich
als Straßenverkäufer, anfangs mit Damenunterwäsche.
Gleich zu Beginn aber kommt es zu einem Zwischenfall, der zum Menetekel wird: es wir ein
Sack mit einer darin steckenden, bis zur Unkenntlichkeit entstellten Leiche gefunden. Und
dann bricht das Unheil tatsächlich los: man schreibt das Jahr 2001 und zunächst
noch außerhalb fallen regierungstreue Truppen und Rebellen übereinander her.
Im Nu füllt sich Saraaya mit Flüchtlingen, die Schreckliches erlebt habe. Als dann
Milizen einrücken, stellt sich heraus, dass der naive Mustafa in seinem Eifer auf
schnelles Geld ausgerechnet auf dem Geläde der NGO Waffen versteckt hat, um sie zu
verscherbeln. Das Grauen kommt über die Stadt mit Gewaltexzessen, wie sie in den
westlichen Fernsehnachrichten meist nur angedeutet werden.
Erst als in Kenia Friedensverhandlungen anlaufen, gibt es einen Waffenstillstand. Und in
dieser fragilen Situation der herbeigesehnten Ruhe bereiten William und Layla tatsächlich
ihre Hochzeit vor. Doch man muss es vorwegnehmen: dieser packende Roman offenbart viel
authentisches Geschehen, ein Happyend sollte man jedoch nicht erwarten, denn so etwas wie
Frieden war seinerzeit noch in weiter Ferne.
Fazit: ein ebenso realistischer wie wichtiger Roman, hervorragend geschrieben aber wegen
der Exzesse nur schwer erträglich.
|