SEBASTIAN CONRAD: „DIE KÖNIGIN“


Vor genau 100 Jahren wurde sie weltberühmt als „göttlich schöne Frau“: Nofretete. Als sie im Neuen Museum in Berlin 1924 ausgestellt wurde, drängten sich die Bewunderer unaufhörlich in Scharen.
Sebastian Conrad, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und international geschätzter Experte für Globalgeschichte, hat sich nun zum Hundertjährigen der öffentlichen Präsentation der hervorragend erhaltenen Büste sowohl deren Weg in dieses Museum wie auch der besonderen Bedeutung des ikonischen Kunstwerks gewidmet.
„Die Königin. Nofretetes globale Karriere“ ist das ebenso wissenschaftlich wie unterhaltsam geschrieben Sachbuch überschrieben. Eingangs schildert Conrad die Beweggründe für die verschiedenen Grabungen nach Altertümern in Ägypten. Aus dem Interesse an der alten Geschichte und Mythologie im 16. und 17. Jahrhundert erwuchs Napoleons Gier nach den vermuteten Schätzen.
Nachdem er auf seinem Ägypten-Feldzug 1798 über 100 Wissenschaftler zur Erkundung mitnahm, wurden diese reichhaltig fündig. Nur um all die geraubten Schätze umgehend an die britischen Kriegsgegner zu verlieren. Die regelrechte „Ägyptomanie“ wurde dann spätestens durch die Ausstellung der Beutestücke in den Museen des Empire allgemein befeuert.
In den Jahren 1842 bis 1845 wurde auch eine preußische Grabungskampagne fündig und hob einen eher unerwarteten Schatz, denn sie entdeckte Spuren einer besonderen Stadt: Amarna, seinerzeit als Achet-Aton vom Ausnahme-Pharao Echnaton gegründet.
Dieser Herrscher der 18. Dynastie wurde 1353 v. Chr. gekrönt und zum Kulturrevolutionär, denn er schuf quasi die erste monotheistische Religion. Nur Sonnengott Aton galt nun noch und dafür ließ er sogar eigens diese neue Hauptstadt bauen.
An seiner Seite aber wird erstmals seine Gattin Nofretete erwähnt, deren Name „Die Schöne ist gekommen“ bedeutet. Echnaton herrschte nur 17 Jahre und nicht lange danach erfolgte die Restauration unter seinem Sohn Tutanchamun, der sogar die Spuren seines Vaters tilgte.
Es gibt allerdings begründete Annahmen, dass Nofretete nicht nur auf Augenhöhe mit Echnaton herrschte sondern als Witwe kurzzeitig als Regentin oder sogar als Königin regierte. Die dürftige Quellenlage und dass nicht einmal ein Grabmal bekannt ist, gaben nach dem Fund ihrer Büste vielen Spekulationen Raum.
Entsprechend sensationell wirkte ihre öffentliche Präsentation 1924. Um so mehr, als im selben Jahr bereits die üppigen von Howard Carter gefundenen Schätze aus dem Grab mal Tutanchamuns in London ausgestellt worden waren. Wobei zur Büste der Nofretete festzustellen ist, dass sie zumindest formaljuristisch zu Recht in deutschen Besitz ist, denn sie wurde nach ihrem Fund regulär von deutscher Seite erworben.
Experte Conrad geht nun ausführlich auf die weltweiten Auswirkungen der Bewunderung der wunderschönen und so gut erhaltenen Büste ein. Popularität, Vermarktung und teils abenteuerliche Deutungen und Aneignungen treiben bis heute bunte Blüten.
Als Ikone der Ästhetik beeinflusste sie auch die moderne Kunst, während andererseits Spekulationen ins Kraut schossen bis hin zur Frage, ob sie nicht als schwarzafrikanische Kultfigur zu gelten habe – Nofretete hin Wahrheit negroider Herkunft?!
Das bezweifelt Sebastian Conrad allerdings ebenso wie den Umstand, ob die seinerzeitigen Kaufverträge tatsächlich so ehrenhaft waren und die Büste der Nofretete nicht doch als Raubkunst zu betrachten ist. Den Besucherströmen auf der Berliner Museumsinsel tun solche Kontroversen jedenfalls keinen Abbruch.
Fazit: eine hervorragend gemachte kritische Untersuchung zu einem globalen Kultobjekt von einzigartiger Attraktion bis auf den heutigen Tag.

# Sebastian Conrad: Die Königin. Nofretetes globale Karriere; 376 Seiten, div. Abb.; Propyläen Verlag, Berlin: € 29

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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