ALEXANDER BARTL: „DER ELEKTRISCHE TRAUM“


In seinem hervorragenden erzählenden Sachbuch „Walzer in den Zeiten der Cholera“ schilderte Alexander Bartl, wie die Weltausstellung von 1873 in Wien vor allem auch durch den Ausbruch der Cholera zum Fiasko wurde. Und wie genau dieses Wasserproblem zur großen Neuerung der Trinkwasserversorgung führte.
Mit seinem neuen Sachbuch unter dem Titel „Der elektrische Traum. Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom“ widmet sich der österreichische Erfolgsautor der Revolution durch die Elektrizität. Die anfangs einen schweren Stand hatte und nicht nur von ihrer Konkurrenz mit teils abstrusen Argumenten abgelehnt wurde.
In geradezu romanhaft spannungstreibender Dramaturgie geht Bartl einerseits auf die intensive Arbeit an einer gebrauchsfähigen Glühlampe durch Thomas Alva Edison ein. Die ersten Experimente dafür machte das Erfindergenie 1878 und die Weltausstellung von 1881 in Paris, die sogenannte „Erste Elektrizitätsausstellung“, ließ die Welt durchaus staunen.
Doch die Gesellschaft war noch nicht bereit für all die elektrischen Maschinen und eine elektrische Beleuchtung. Leuchtgas war das Medium der Epoche und selbst Industrielle hielten es für alternativlos. Und die Betreiber der prosperierenden Gasversorgungsunternehmen sowieso.
Allerdings war dieses Leuchtgas nicht nur giftig sondern auch sehr explosiv. Und hier nun bahnte sich ein entscheidender Wendepunkt in der Brennstoffdebatte an. Immer wieder kam es zu Bränden durch Gasunfälle und nirgendwo waren Gefahr und Auswirkung größer als in den Theatern, die gerade im 19. Jahrhunderten die populärsten Kulturstätten waren.
Hatten bisherige größere Unglücksfälle noch als Vorkommnisse gegolten, wie sie eben passieren, wurde das Jahr 1881 zu einem Fanal. Schon im März dieses Jahres hatte der verheerende Theaterbrand in Nizza Dutzende von Menschenleben gefordert. Am 8. Dezember 1881 aber kam es zu einer Katastrophe, die die Welt bestürzte und sich nachhaltig auswirken sollte.
Es war die zweite Aufführung von „Hoffmanns Erzählungen“ im verwinkelten Ringtheater mit seinen 1700 Plätzen. Zur pompösen Ausstattung gehörte unter anderem ein prachtvoller Kronleuchter mit 330 Gasflammen. Die ebenso offen waren wie die der Lampen der gesamten Bühnen- und Saalbeleuchtung.
Technische Unzulänglichkeiten und Schlampereien seitens des Personals ließen das Theater Minuten vor Spielbeginn zur Feuerhölle werden, der vermutlich über 400 Menschen auf grausige Weise zum Opfer fielen. In der Folge wurden die Rufe nach sicherer Beleuchtung nicht nur in öffentlichen Gebäuden unüberhörbar. Und ebneten dem weltweiten Siegeszug der elektrischen Beleuchtung den Weg.
Spannend aber eben auch fundiert geschrieben, werden zudem die Entwicklungsarbeiten Edisons beleuchtet. Einschließlich seines Gerangels mit George Westinghouse um die folgenreich Entscheidung über die Elektrifizierung mit Edisons Gleichstrom oder dem Wechselstromsystem von Westinghouse. Das Letzterer für sich entschied.
Doch Alexander Bartl lässt auch keinen Zweifel daran, dass die Gasproduzenten ebenfalls nicht leer ausgingen, weil sie auf die Umstellung ihres Brennstoffs zu Heizzwecken setzten. Wie man weiß, ähnlich folgenreich und profitabel. Fazit: nicht zuletzt dank viel Zeit- und Lokalkolorit eine höchst lebendige Darstellung einer der bahnbrechenden Umbrüche der Menschheitsgeschichte.

# Alexander Bartl: Der elektrische Traum. Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom; 319 Seiten; HarperCollins Verlag, Hamburg; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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