ANDREAS IZQUIERDO: KEIN GUTER
MANN
Heißt Gott womöglich mit Vornamen Walter? Das jedenfalls lässt dieser bemerkenswerte
erste Satz vermuten: Lange bevor Walter aus Versehen Gott wurde, suchte seine Chefin
bereits nach Wegen, ihn loszuwerden.
Das ist der Eröffnungssatz des Romans Kein guter Mann von Erfolgsautor
Andreas Izquierdo. Walter ist um die 60, seit Jahrzehnten Postzusteller in seinem
Heimatdorf Ründeroth im Bergischen Land. Beruflich stets absolut korrekt, ist er
ansonsten ein schroffer, meist übellauniger Mensch mit einem Hang zur Rechthaberei.
Da Walter außerdem zu den Zeitgenossen gehört, die einerseits von Schicksalsschlägen
geradezu heimgesucht werden und dabei andererseits zielsicher in jedes erreichbare
Fettnäpfchen tritt, braut sich jetzt etwas zusammen. Mag er auch zumindest am Auslöser
seiner jetzigen Pechsträhne unschuldig sein, hat er doch für eine Eskalation mit einem
Postkunden gesorgt, die nun Konsequenzen haben soll.
Auf Rente wollen sie ihn schicken, aber: Ich kann mir eine Frührente nicht
leisten. Und muss sich nach zähem Ringen in einen Kompromiss fügen: Ründeroth
gehört zur Gemeinde Engelskirchen und dort unterhält die Deutsche Post eine ihrer
sogenannten Christkindfilialen.
Über 100.000 Briefe von Kindern gehen dort zur Weihnachtszeit ein und werden mit
Formbriefen beantwortet. Was die Gören allerdings für Luxuswünsche äußern und das mit
grottiger Rechtschreibung, treibt Walter zur Weißglut. Aber seine Chefin untersagt
bei Androhung der Kündigung jegliche eigengefertigte Antwortbriefe.
War das alles einschließlich subtiler Gesellschaftskritik bis dahin eine herrlich
grantige Satire mit einem Miesepeter im Mittelpunkt, den man einfach in seiner
Bollerigkeit köstlich finden konnte, entwickelt sich dieser schnörkellos geschriebene
Roman nun jedoch zur Tragikomödie. Und es sei vorweg gesagt; der Komödienanteil daran
behält nicht die Oberhand.
In seinem Frust ergreift Walter schließlich den Brief von Ben: Walter öffnete ihn.
Und wurde aus Versehen Gott. Der Zehnjährige wendet sich nämlich an diesen,
höflich und fehlerfrei und statt Konsumwünschen geht es ihm um Hilfe. Er hat keinen
Vater, die Mutter ist krank und einen Freund hat er auch nicht.
Da kann der an sich ja herzensgute Walter gar nicht anders als in die Rolle Gottes zu
schlüpfen. Es entfaltet sich ein wunderbarer Briefwechsel, der beiden sehr viel bedeutet.
Allerdings manövriert sich Walter bei allem guten Willen auch hier immer wieder in
Zwickmühlen. Wie auch bei seinen anderen Hilfsaktionen, die er in bester Absicht
unternimmt.
So bei Tochter Sandra, mit der er im Gegensatz zu Sohn Christian und Ex-Frau Barbara
wenigstens sporadischen Kontakt hat. Dabei entdeckt er, dass ihr Freund Uwe nicht nur ein
versoffener Versager ist, sonder sie auch misshandelt. Heimlich rückt Walter da mit
Dobermann Adolf an, den er seit seiner haarsträubenden Eingangsepisode hält, und treibt
Uwe in die Flucht.
Sandra zieht nun sogar bei ihm ein und versucht auch, eine Familienweihnacht zu
arrangieren. Doch es werden Erinnerungen wach und allmählich drängen sich all die
tragischen Elemente ins Geschehen, die Walters Glück aus jungen Jahren zerplatzen
ließen. Zugleich fiebert man mit, wenn er händeringend versucht, als Gott für Ben
dessen Leben aufzuhellen, während sich die Atmosphäre zunehmend verfinstert.
Nein, das Schicksal ist wirklich nicht gerecht zu Walter und mag ihn sein Mantra
Nicht meine Schuld bei so manchen misslichen Wendungen auch vorm Verzweifeln
bewahrt haben man muss dankbar sein, wenn ihm zu
guterletzt doch noch eine Absolution als zartbitteres Happyend zuteil wird.
Fazit: ein zutiefst menschlicher Roman mit manch bissigen Pointen aber eben auch
bewegenden Szenen. Und Andreas Izquierdo hat ihn als versierter Drehbuchautor so verfasst,
dass er unbedingt verfilmt gehört, und dazu kann es nur einen als Walter geben
Armin Rohde!
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