NELE NEUHAUS: MONSTER
Fall Nummer 11 von Bestsellerautorin Nele Neuhaus beginnt mit einem unheilschwangeren
irritierenden Prolog: am 16. Dezember 2019 nimmt Konstantin Hawelka, Vorsitzender Richter
der 6. Großen Jugendstrafkammer am Landgericht Frankfurt, unter Waffengewalt zwei
Wiederholungstäter und deren Verteidiger als Geiseln.
Dann aber geht der Thriller unter dem Titel Monster erst einmal auf den 7.
Dezember zurück, an dem das K II in der Kreisstadt Hofheim am Taunus mit einem eher
alltäglichen Mordfall konfrontiert wird. Als Oliver von Bodenstein und Pia Sander zu der
Leiche der 16-jährigen Larissa Böhlefeld gerufen werden, finden sie diese erdrosselt
jedoch voll bekleidet hinter einem Marienaltar unter Schnee liegend.
Das eingeschworene Teeam stößt recht bald auf DNA-Spuren, die Farwad Mahmoudi unter
Verdacht bringen. Einerseits war er durch Larissas Halbschwester Ylva ein flüchtiger
Bekannter des Mädchens, andererseits ist der abgewiesene Asylbewerber aber auch erst
kürzlich wegen der Vergewaltigung einer Mitschülerin verurteilt worden. Nur durch
Tricksereien eines cleveren Verteidigers war er vorläufig auf freiem Fuß, ist nun jedoch
spurlos verschwunden.
Larissa wurde allerdings nicht vergewaltigt, dennoch überschlagen sich die sozialen
Medien, als Details und Gerüchte aufkommen. Doch es laufen nicht nur vielfältige
schwierige Ermittlungen, es passiert auch auf einer anderen Ebene Verwirrendes. Da wird
nachts auf einer Straße durch den Wald ein Mann von einem Auto erfasst und getötet.
Und gibt Rätsel auf, denn der Tote weist unzählige schwere Bisswunden durch große Hunde
auf und ist auch ansonsten schwer entstellt. Die DNA offenbart dann, dass dieser Mann erst
vor kurzem nach einer Haftstrafe wegen der fahrlässigen Tötung einer schwangeren Frau
entlassen wurde.
In der spannungstreibenden Dramaturgie wechselt die Szenerie kurz in eine Art Kerker mit
mehreren Gefangenen. Farwad Mahmoudi ist einer von einen, die hier unter elendigen
Umständen vegetieren, ohne zu wissen, was ihre Entführung zu bedeuten hat. Ob das alles
miteinander zu tun hat und wenn: wie?
Doch dann kommt mittendrin der infernalische Showdown, als Oliver von Bodenstein am 16.
Dezember in den großen Sitzungssaal des Landgerichts gerufen wird, wo Richter Hawelka
nicht nur mit einer Pistole sondern auch mit einem Sprengstoffgürtel seine vier Geiseln
bedroht. Und eine bittere Klage gegen all die Fälle erhebt, in denen selbst übelste
Verbrechen kaum zu einer gerechten Verurteilung kommen wegen immer neuer gewissenloser
Machenschaften von ebenso raffinierten wie geldgierigen Strafverteidigern.
Und er drückt auf den Auslöser, nachdem er zuvor Oberkommissarin Kathrin Fachinger
aus dem K II und offenbar langjährige Geliebte des Richters erschossen und
von Bodenstein die Flucht befohlen hat. Doch dieser Höhepunkt steht längst nicht am Ende
des packenden Geschehens, sondern eröffnet vielmehr ganz neue, viel größere
Dimensionen.
Immer offener treten nun mörderische Aktivitäten eines monströsen
Selbstjustiz-Netzwerks zutage. Nicht nur das K II rotiert, zumal einige Strippenzieher das
Image der Polizei als Ordnungshüter massiv gefährden. Vor allem aber werden hier Opfer
oder ihre Hinterbliebenen zu finalen Tätern gemacht und was macht das mit ihnen?!
Nele Neuhaus hat daraus ein raffiniertes Geflecht mit der vollen Sogwirkung eines
schnörkellosen und in vielen Aspekten hochaktuellen Thrillers aufgezogen.
Vorverurteilung, Hetze in den sozialen Medien, Fremdenhass und Selbstjustiz: ein düsteres
und zugleich erschreckend reales Gebräu unter Hochspannung und auch diesmal wieder
absolut filmreif.
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