OLIVIA FORD: „DER SPÄTE RUHM DER MRS. QUINN“


Es ist ein Winternachmittag und Jennifer Quinn macht, was sie von jeher am liebsten getan hat: sie backt. Allerdings gehen der 77-Jährigen einige Sorgen durch den Kopf, denn Bernard, mit dem sie jetzt fast 60 Jahre verheiratet ist, kränkelt etwas. Und überhaupt, was ist, wenn einer von ihnen vorzeitig geht und wie soll der andere dann weiterleben.
Der immer so gutmütige Bernard aber gibt ihr unversehens einen Anstoß mit einer Bemerkung, der ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen wird. Dass nun keine Abenteuer vor ihnen lägen, nur noch beschauliches Leben. Es will der leidenschaftlichen und doch noch so munteren Bäckerin nicht in den Kopf, dass da sonst gar nichts mehr sein soll.
Was sie prompt dazu bringt, sich für die nächste Staffel der beliebten Fernsehserie „Das Backduell - Backen auf der Insel“ zu bewerben.Und damit beginnt nun Olivia Fords Debütroman „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“. Das Backen zieht sich durch das gesamte Geschehen und es hat einiges von Bedeutung.
So backt Jennifer mit Hingabe auf klassische Art und Weise nach all den alten Familienrezepten, die jedes eine Bedeutung haben, denn sie sind mit ganz persönlichen Erinnerungen verbunden. Und es hat ihre lange liebevolle Ehe geprägt, zumal die kinderlos geblieben ist. Ihre Familie sind nur Bernards Nicht Rose, deren Mann sowie deren beiden Kindern.
Da sich Jennifer aber keine ernsthaften Hoffnungen macht, bei der Fernsehserie angenommen zu werden, verheimlicht sie die Bewerbung vor Bernard. Wo sie doch sonst nie Geheimnisse vor ihm hat. Bis auf eines aus ihrer Jugend und das ist so groß und schmerzhaft, dass nicht einmal Bernard jemals davon erfahren soll. Jennifer sinniert ohnehin immer öfter über die Vergangenheit und über den möglichen Rest des Lebens.
Doch jedes Jahr am 11. Januar hat die sonst so ausgeglichene Jennifer sowieso einen grässlichen Tag: sie war 16, als sie für eine Jugendsünde furchtbar bestraft wurde. Sie, die ihre Mutter so früh verloren hatte, musste in ein Heim für uneheliche Mütter und genau am 11. Januar 1962 wurde ihr Sohn James geboren. Der kurz darauf von Adoptiveltern abgeholt wurde.
Nie hat Jennifer die wenigen Stunden mit ihrem Kind vergessen können. Um so größer war ihr Glück, Bernard zu begegnen, der sie schon bald heiratete und nie bedrängte, eigene Kinder zu haben, weil sie das angeblich auf Grund der früh verlorenen Mutter nicht wollte. So ihre Begründung, die er einfach akzeptierte. Was ihre Gewissensbisse jedoch nie verstummen ließ.
Nun aber Jennifers überraschender Siegeszug im Fernsehen, der so vielen Dingen einen anderen Lauf geben soll. Inmitten der vielen liebevoll beschriebenen Geschehnisse beim Sender und daheim, blitzen auch schmerzliche Erinnerungen an jenes herzzerreißende Jahr mit dem Entbindungsheim auf.
Dieser Roman ist exzellent konzipiert und zugleich voller Tiefe und Menschlichkeit mit all seinen Gefühlen. Wobei es der Autorin – auch dank ihrer langjährigen Erfahrungen als Fernsehproduzentin – gelingt, diese unentrinnbare Geschichte mit ihrem warmherzigen Finale ohne jeden Kitsch zu erzählen.
Fazit: vielleicht der schönste Roman des Jahres, ganz gewiss aber ein Meisterwerk. (Bei dem man im Übrigen ein Taschentuch benötigen wird!)

# Olivia Ford: Der späte Ruhm der Mrs. Quinn (aus dem Englischen von Sonja Rebernik-Heidegger); 400 Seiten; dtv Verlag, München; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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