RICHARD RUSSO: MOHAWK
Pulitzer-Preisträger Richard Russo zählt zu den Romanciers, die den sogenannten
Großen Amerikanischen Roman in den letzten Jahrzehnten mit geprägt haben.
Etliche seiner Werke waren auch bei uns von Erfolg gekrönt, doch sein Debütroman
Mohawk aus dem Jahr 1986 liegt erst jetzt auch auf Deutsch vor. Schon hier
finden sich Elemente, die später immer wieder eine Rolle spielten. So beginnt dieser
Roman in einem typischen Diner im Zentrum dieser fiktiven Kleinstadt im Hinterland New
Yorks.
Man schreibt das Jahr 1966 und die Provinzstadt mit der sehr weißen Bevölkerung hat ihre
besten Zeiten längst hinter sich. Die Gerberei hatte den Männern über Generationen
hinweg die Existenz gesichert. Seit die Lederwaren jedoch woanders produziert werden, ist
ihre Fabrik Geschichte.
Geblieben sind ihre giftigen Abwässer, weshalb die Krebsrate hier auch deutlich über dem
Landesdurchschnitt liegt. Einer der Männer im Mittelpunkt ist Mather Grouse, ein
schweigsamer Mann, der zu ehrlich war, um seinen Vorarbeiterposten verteidigen zu können,
als das noch Sinn gemacht hätte.
Auch er hat nun Krebs und nagt am Groll gegen einen einstigen Arbeitskollegen. Auch er
träumt längst nicht mehr den amerikanischen Traum vom großen Aufstieg. Ebenso wenig wie
die anderen Männer, die sich fast regelmäßig im Diner von Harry treffen. Wie Dallas,
ein Schuldenmacher, der im doppelten Sinne ein Loser ist, denn irgendwie bringt er nie
etwas zustande und obendrein verliert oder vergisst er immer wieder Dinge.
Den Frauen geht es aber auch nicht besser in dieser Kleinstadttristesse. Wie Anne, der
Tochter von Mather. Schön und klug war sie und hat es dennoch vergeigt. Wegen einer
aussichtslosen Liebesgeschichte kehrte sie zuück und steckt mit jetzt bald 40 im Grau des
Mohawk-Alltags fest.
Eine mutlose Verliebtheit bremst sie wie auch Dan Woods, in den sie ebenso hoffnungslos
verliebt ist wie er in sie. Dummerweise war er bereits mit ihrer ihrer Cousine Diana
liiert, als ihnen der Irrtum bewusst wurde. Und in diesen Zeiten rührte man nicht einfach
an etwas bereits Festgefügtem.
Doch auch dies ist nur eines der Geheimnisse zwischen den Protagonisten, die alle
miteinander verwoben sind, wie sich nach und nach herausstellt. Da wird gestritten und
auch gehasst, es gibt Familienfehden, es wird gesoffen und wird insgeheim von besseren
Zeiten woanders geträumt. Ohne dass man etwas unternähme. Und der Vietnam-Krieg spielt
eine eigene, einfach auch hie rnicht ignorierbare Rolle.
Die amerikanische Provinz im Osten der USA, wie sie ähnlich auch Bruce Springsteen
(derselbe Jahrgang, im selben Großraum geboren), oft besungen hat. So ungefähr hat sie
getickt in den 60er Jahren. Viele Ansätze späterer Erfolge sind schon hier stark
vertreten, wenngleich Mohawk mit relativ wenig Handlung auskommt.
Schon hier aber zeigt Richard Russo die souveräne Sprachmagie, mit der er stets zu
überzeugen wusste, und in Monika Köpfer hat er eine Übersetzerin gefunden, die genau
das auch für diesen Debütroman zum Lesegenuss geformt hat.
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