MARIE VIEUX-CHAUVET: „DER TANZ AUF DEM VULKAN“


Auf der Karibikinsel Santo Domingo trug sich die einzige erfolgreiche Sklavenrevolution der Weltgeschichte zu. Durch sie konnte am 1. Januar 1804 auf dem französischen Teiul der Insel die souveräne Republik Haiti proklamiert werden.
Die wilden Geschehnisse, mit denen zwischen 1791 und 1804 aus Sainte-Domingue ein neuer Staat wurde, hat die vielfach preisgekrönte Autorin Marie Vieux-Chauvet (1916-1973) in ihrem brodelnden Historienroman „Der Tanz auf dem Vulkan“ beschrieben. 1957 erschienen, liegt das Werk nun auch auf Deutsch vor.
Es war der zweite Roman der Autorin und sie betont in einer Vorbemerkung, dass die Grundlage historisches Material war. Sowohl die Protagonisten wie auch die geschilderten Ereignisse seien echt. Die Bevölkerungsgruppen der Kolonie waren sehr diffus, denn neben der kleinen Schicht der herrschenden weißen Kolonialherren gibt es freigelassene Sklaven und Mischlinge wie auch direkt aus Afrika stammende Sklaven.
Da spielt der „Weißheitsgrad“ eine Rolle im hierarchischen Gefüge, wo durchaus Schwarze von weniger dunklen „Affranchis“ als Sklaven gehalten und auch misshandelt wurden, wie es die Weißen mit ihren Sklaven tun. Hier ist es wichtig und richtig, dass auch in der Übersetzung die heute üblicherweise verpönten N-Wörter und andere diskriminierende Begriffe aus ihrer Entstehungszeit beibehalten wurden.
Ohnehin gehört es zu den besonderen Qualitäten dieses Romans, dass er von einer Nachfahrin jener ersten Haitianern verfasst wurde und somit sehr authentisch ist. Und Vieux-Chauvet stelle starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt, allen voran Minette und ihre Schwester Lise. Sie wachsen bei ihrer Mutter Jasmine auf, einer freigelassenen skalvin.
Als Minette einmal den von Peitschenhieben aus ihrer Sklavenzeit vernarbten Rücken der Mutter gesehen hat, regt das bei ihr politisches Denken an. Gleichwohl arbeitet sie für Weiße, doch der allgegenwärtige Rassismus, der auch ihr jedweden Schulbesuch verwehrt, trifft sie ebenfalls. Wobei sie dank ihrer Talente, vor allem einer außergewöhnliche stimme, trotz allem eine Ausbildung fürs Theater machen kann.
Minette wird sogar ein gefeierter Star – der aber wegen der Hautfarbe nicht den Ball nach ihren Auftritten besuchen darf. Allerdings tut sich viel in dieser Zeit und eine aufpeitschende Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: „Das französische Volk hat aufbegehrt!“
Die Nachricht von der Französischen Revolution von 1789 hat nun auch die ohnehin unruhige Insel erreicht, während zahlreiche entlaufene Sklaven sich bereits in den Bergen tummeln und zum Aufruhr aufrufen. Wogen die weiße Herrschaft mit größter Brutalität angeht, so dass die Lage völlig eskaliert.
Marie Vieux-Chauvet hat die Entwicklung der Revolution bis zu deren erfolgreichem Ende zeitlich verdichtet, wodurch die Dramatik noch heftiger und hitziger erscheint, als sie ohnehin schon war. - Ein faszinierender Roman vor sehr realem historischem Hintergrund, zu dem es im Übrigen einen wichtigen Anhang mit Erläuterungen gibt.

# Marie Vieux-Chauvet: Der Tanz auf dem Vulkan (aus dem Französischen von Nathalie Lemmens); 488 Seitem; Manesse Verlag, München; € 28

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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