MARTIN EHRENHAUSER: DER
LIEBENDE
Ein Liebesroman? Ach, wie langweilig und abgedroschen. Martin Ehrenhauser belehrt uns
eines Besseren und altbacken ist allenfalls die Grundidee, dass es nie zu spät sei für
die Liebe im Leben.
Einfach nur Der Liebende lautet der Titel und der Mann, der nicht ahnen kann,
dass er dazu wird, heißt Josef Haslinger. In Würden in den Ruhestand getretener
katholischer Priester aus Wien. Schon lange lebt er in Brüssel und hier wirkt er nun nur
noch ehrenamtlich als Seelsorger für deutschsprachige Patienten in einem Krankenhaus in
der Altstadt. Ansonsten genießt er den beschaulichen Lebensabend in seiner kleinen
Wohnung und pflegt die geliebten Pflanzen auf dem Balkon.
Da wird er eines nachts von Partylärm aufgestört: auf der gegenüberliegenden Seite wird
gefeiert und das auch auf der großen Terrasse, die er einsehen kann. Als Stille
eingekehrt ist, entdeckt Haslinger die neue Bewohnerin der dortigen Wohnung, eine reife
attraktive Dame mit langen schlohweißem Haar.
Charmant entschuldigt sie sich für die Störung und im Nu kommen sie ins Gespräch. Immer
öfter und immer mehr merken beide, dass sie einander sympathisch sind. Diese Madame
Janssen nur beiläufig wird ihr Vorname Elise erwähnt war Diplomatin für
die belgische Regierung und erweist sich als weltgewandt und selbstbewusst.
Und es liest sich einfach bezaubernd, wie ihn die ein
paar Jahre jüngere Frau ohne ihr Zutun betört. Ohne Absicht und vermutlich weiß sie es
nicht einmal. Welche Gefühle das bei dem unangestrengt zölibitär lebenden Haslinger
hervorruft, verspürt alsbald sein Freund Dr. Hoffmann, den er vom Krankenhaus her kennt.
Der merkt die Veränderungen, als ihm Haslinger zur nächsten Schachpartie Champagner als
Beigetränk kredenzt.
Dann aber wird Haslinger unversehens als Nachbar gefordert, denn Madames Pflanzenpracht
auf der Terrasse leidet sichtbar sie musste wegen Untersuchungen in genau jenes
Krankenhaus, in dem er arbeitet. Was für sie eine so gewaltige Überraschung ist, ihn in
Priesterkleidung zu sehen und nun mit seiner Profession konfrontiert zu sein, dass sie in
Gelächter ausbricht.
Um so herzlicher entwickelt sich ihr Miteinander, dass sie ihn schließlich bittet, mit
ihr für einen Urlaub an die Nordsee zu fahren. Während bei Haslinger aus Sympathie
längst Liebe geworden ist, trägt Madame Janssen jedoch ein Geheimnis mit sich, das ihn
noch an Grenzen bringen wird.
Mehr aber darf hier einfach nicht verraten werden von diesem wunderbaren Roman. Nur noch
so viel jedoch: man darf sich auf eine der schönsten intimen Liebesszenen freuen, die
seit Jahren geschrieben worden sind. Und so wie man sich zuweilen köstlich amüsiert,
verleiht die Sprache in ihrer eleganten Schlichtheit der Geschichte in den ernsten
Passagen so viel Würde und Tiefe, dass sie tief unter die Haut geht und lange nachhallt.
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