JOEL DICKER: DIE AFFÄRE
ALASKA SANDERS
Vor zehn Jahren landete der gebürtige Schweizer Autor Joel Dicker einen Weltbestseller
mit seinem Debütroman Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert. Das war ein
verwegen aufgebauter Krimi nach dem Prinzip des Buchs im Buch, bei dem der Ich-Erzähler
als der Autor des inneren Romans fungierte.
Nun hat Dicker es tatsächlich gewagt, mit großem und doch kaum spürbarem Abstand einen
Nachfolgeroman zu schreiben. Nur zur Erinnerung: seinerzeit hatte man im Garten des
renommierten Schriftstellers Quebert, Mentor und Freund des jungen Marcus Goldman, die
Leiche einer seit Jahrzehnten verschwundenen 15-Jährigen gefunden.
Fatal für Quebert, dass im Grab auch das Originalmanuskript seines ersten Erfolgsromans
lag und sich herausstellte, dass er damals eine Affäre mit dem Mädchen gehabt hatte. Es
waren dann der Ich-Erzähler sowie der zähe Polizeisergeant Perry Gahalowood, die als
einzige an Queberts Unschuld glaubten und diese schließlich auch bewiesen.
Goldmans Roman über den Fall katapultierte ihn dann in den Olymp, während Quebert
untertauchte. Doch der Ich-Erzähler ist nicht wirklich glücklich geworden, sondern in
eine Schaffenskrise gestürzt. Obendrein vermisst er Quebert. Nun aber schreibt man das
Jahr 2010, Goldmans Erfolgsroman wird soeben verfilmt, da werden er und seiner alter
Freund Gahalowood erneut auf einen ganz alten Fall gestoßen.
Im April 1999 wurde die Leiche der 22-jährigen Alaska Sanders gefunden, 32 Jahre alte
Schönheit aus New York. Trotz Karrierechancen als Model und Schauspielerin war sie der
Zufallsbekanntschaft Walter Carrey in dessen verschlafenes Heimatdorf Mount Pleasant in
New Hampshire gefolgt. Zwar wunderten sich manche über diese seltsame Entscheidung, doch
es schien echtes Liebesglück zu sein.
Warum das Verhältnis der Beiden dann offenbar so umschlug, dass sie ihn verlassen wollte,
bliebt unbekannt. Auf jeden Fall überlebte sie den Tag, an dem sie die Trennung
ankündigte, nicht. Alles schien klar und es gab sogar ein Geständnis. Während Carrey
bald starb, saß sein als Komplize ebenfalls verurteilter Freund Eric Donovan nun seit
zehn Jahren im Gefängnis, als ein anonymer Hinweis alles in Frage stellt.
Donovan hatte unablässig versichert, unschuldig zu sein könnte das stimmen? Als
Gahalowood mit Freund Goldman auf Spurensuche geht, kommen tatsächlich Zweifel an den
damaligen Ermittlungen auf. In einem hochspannenden Puzzle-Spiel gibt es alsbald immer
neue Überraschungen, die neue Erkenntnisse aufleben und andere fragwürdig werden lassen.
Die Dramaturgie ist wieder ähnlich spannungstreibend mit Rückblenden und den Wechseln
zwischen aktuellen Recherchen und der Vergangenheit aufgebaut. Wie in einem Tagebuch
schildert Autor Goldman deutlich als Alter ego Joel Dickers zu erkennen im
Jahr 2010 die Geschehnisse. Das ist ähnlich gelungen konstruiert wie der Geniestreich von
2013 mit seinen Verwicklungen und seinen komplexen Protagonisten.
Man muss den Harry-Quebert-Roman nicht gelesen haben, zumal es etliche Quervermerke darauf
gibt. Allerdings erhöht es durchaus den Lesegenuss und der ist einmal mehr beträchtlich.
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