PERCIVAL EVERETT: DIE
BÄUME
Junior Junior Milam und Wheat Bryant wohnen mit ihren Familien im Kaff Money, Mississippi.
Beide faul, versoffen und übergewichtig und wie der Rest ihrer Familien white
treash oder auf Neudeutsch Prekariat. Und natürlich sind sie in diesem
rassistischsten aller US-Südstaaten typische intelligenzgebremste Rednecks.
Mit ihrem spektakulären blutrünstigen Ableben beginnt der Roma Die Bäume
von Percival Everett. Der vielfach ausgezeichnete Erfolgsautor und Englisch-Professor an
der University of Southern California ist selbst afroamerikanischer Herkunft und er hat
dieses Romangeschichte seit langem mit sich herumgetragen.
Die Details der beiden Mordtaten sind grausig, denn beide Männer wurden nicht nur
regelrecht zerschlagen. Im ihren Hals wurde Stacheldraht geschlungen und sie wurden
kastriert. Ihre Hoden aber garnieren die entsetzliche Beigabe zur Bluttat: sie
befinden sich in den Händen der neben dem weißen Mordopfer liegenden und ebenfalls
brachial zugerichteten Leiche eines schmächtigen Schwarzen.
Für den dumpfbackigen Sheriff Jetty der stark an den fiesen Chief Gillespie aus
dem Klassiker In der Hitze der Nacht (Rod Steiger 1967) erinnert, nur mangels
Grips weniger verschlagen ist klar, dass der Nigger den aufrechten
weißen Bürger gemeuchelt hat. Um so überforderter ist er, als die Leiche des Schwarzen
nach dem ersten Mord aus der Leichenhalle verschwindet und beim zweiten Mord erneut den
Tatort ziert.
Und während man sich einerseits daran gewöhnen muss, dass das verpönte N-Wort hier
allenthalben genüsslich verwendet und oft noch mit Zusätzen verschärft wird, erfährt
man andererseits bald eine bittere Wahrheit kennen: dass einige der Figuren historisch
echt sind. Die beiden ersten Mordopfer sind die Söhne von Roy Bryant und J. W. Milam, die
1955 in diesem Ort Money einen Lynchmord begingen.
Der eben 14-jährige schwarze Emmett Till war von einer jungen Weißen beschuldigt worden,
er habe sie angebaggert. Die beiden Männer brachten den Jungen auf sadistische Weise um.
Vor Gericht wurden sie dann jedoch freigesprochen und der Gipfel des Zynismus war, dass
Carolyne die Großmutter des jetzt umgebrachten Wheat Bryant später zugab,
damals gelogen zu haben.
Wegen der auch nach dem zweiten Mord gleich wieder verschwundenen schwarzen Leiche und
weil die Weißbacke von Sheriff offensichtlich total überfordert ist,
entsendet das MBI (Mississippi Büreau of Investigation) die Special Agents Jim Davis und
Ed Morgan. Da beide schwarz sind, sorgt das für entsprechenden Unmut in Money, doch
später stößt mit Herberta Hind sogar noch eine schwarze FBI-Ermittlerin hinzu.
Was nun abgeht, ist bissig, böse, rabiat und von abgrundschwarzem Humor, bei dem die
Weißen ganz schlecht wegkommen. Hinreißende Dialoge ziehen durch das gesamte Geschehen
und bei aller schonungsloser Grobkörnigkeit entfaltet sich das Alles zu einer tödlich
treffsicheren Realsatire. Bei der einem das Lachen zuweilen im Halse stecken bleibt.
Dämlicher Redneck ist redundant ist das noch milde in diesem Feuerwerk an
grotesker Komik.
Offenbar haben die Auftaktmorde eine Welle losgetreten und eine Spur führt zu der
105-jährigen Mama Z. Sie führt ein privates Archiv, das den tieferen bitteren
Hintergrund dieses Romans birgt- die Sammlung all der Lynchmorde an Schwarzen, Asiaten und
Indigenen.
Die Geschichte weitet sich auf monströse Weise aus, wenn schließlich ganze Horden von
Rächern reihenweise Rassisten massakrieren und selbst der gerade in Mississippi noch
immer so mächtige Ku-Klux-Klan zum Angriff losschlagen will, aber nicht weiß, wer hier
der konkrete Feind ist.
Selbst das Weiße Haus mit seinem orangenen Präsidenten wird mit einbezogen.
Mehr aber sei nicht verraten von diesem schrillen Angriff auf den unausrottbaren Rassismus
in den USA, der ebenso eine Hommage an die Opfer der Lynchjustiz souverän darbringt wie
er auch als Rachefantasie schier ausrastet. - Fazit: ein brillanter Roman, aber äußerst
rüde und wahrlich nichts für Zartbesaitete.
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