JESS KIDD: DIE INSEL DER
UNSCHULDIGEN
Es gibt bereits etliche Sachbücher und Romane über das schreckliche Schicksal des
niederländischen Vollschiffs Batavia, das am 4. Juni 1629 westlich von
Australien strandete. Das spätere Massaker unter Besatzung und Passagieren gilt bis heute
als beispiellos.
Die englische Krimiautorin Jess Kidd hat sich der wahren Geschichte angenommen und sie
unter dem Titel 2Die Insel der Unschuldigen mit einer aus der Gegenwart von 1989
verknüpft. Der breite Erzählstrom beginnt im Oktober 1628, als die neunjährige
Halbwaise Mayken van der Heuvel mit dem stolzen neuen Dreimaster der Niederländischen
Ostindien Kompanie (VOC) zur indonesischen Kolonie Batavia (heute Indonesien) aufbricht,
wo ihr reich gewordener Vater lebt.
Das Mädchen stromert auf dem großen Schiff herum und sieht so manches, was für
Kinderaugen wenig geeignet ist. Wobei der verschlagene Stewart Pelgrom eine unheilvolle
Rolle spielt. Die See ist rau und dann springt die Handlung um in das Jahr 1989 und zum
Beacon Island, auch Batavia's Graveland genannt.
Hierher wird Gil Hurley gebracht, ebenfalls neun Jahre alt. Er hat seine drogensüchtige
Mutter verloren und soll nun auf der Insel beim Großvater leben. Der grummelige alte Joss
Hurley wird nicht von ungefähr von den wenigen anderen Bewohnern gemieden. Zu denen auch
einige Wissenschaftler zählen, die nach Hinterlassenschaften von der Batavia
suchen, die vor über 300 Jahren hier gestrandet war.
Gils Kennenlernen von echten und Spukgeschichten über die damaligen Ereignisse wie auch
deren Erforschung bilden in steten Wechseln der beiden Zeitebenen die Verbindung der
Handlungsstränge. Auf die rauen Klippen einer der Wallabi-Inseln eben Beacon
Island läuft im Juni 1629 das VOC-Schiff mit einen über 300 Menschen an Bord
wegen schlechter Navigation auf.
Die meisten von ihnen können sich auf die Insel retten und dann brechen Pelsaert, der
Oberkaufmann der VOC, und Kapitän Jakobsz mit einigen Männern in einem Beiboot auf, um
Hilfe zu holen. Über die verbliebenen Schiffbrüchigen aber, unter ihnen auch Mayken,
erhebt sich schon bald eine grausame Schreckensherrschaft durch Besatzungsmitglieder unter
dem Befehl des VOC-Unterkaufmanns Cornelisz.
Nicht nur wegen des Mangels an Wasser und Lebensmitteln sondern auch wegen der wertvollen
Ladung der Batavia schlachten die Meuterer über 100 Menschen ab. Das irre
Regime endet erst mit der Rückkunft der Rettungsmannschaft unter Kommandant Pelsaert.
Für sie viele Menschen zu spät.
In der Jetztzeit durchlebt derweil Gil ebenfalls harte Zeiten, denn nicht nur der völlig
lieblose Umgang durch den Großvater macht ihn einsam. Als wenig jungenhafter
Neunjähriger mit langen roten Haaren wird er gehänselt und gemobbt. Doch gerade für ihn
gibt es Momente, die berühren, wenn es doch noch eine Annäherung mit dem alten Joss
gibt, der nach der Tochter nun nicht auch noch den Enkel verlieren will.
Und da sind die Geister der Toten von 1629, und es ist aufgerechnet der traumatisierte
Gil, der den sogenannten Hexenstein findet, der angeblich einst der unglücklichen Mayken
gehörte. - All das ist mit viel Fantasie aber auch brutalen Szenen zu einer
vielschichtigen, oft rätselhaften Geschichte verknüpft. Die trotz vereinzelter Längen
viel Spannung bietet, jedoch auch in menschliche Abgründe blicken lässt und nichts für
zartbesaitete Leser ist.
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