BASTIAN KRESSER: „ALS MIR DIE WELT GEHÖRTE“


Als Knabe bereits gab er es sich schriftlich: „Ich, Victor Lustig, schwöre hiermit, reich zu werden und genau das zu tun, was mir Freude macht.“ Dieses kleine Schriftstück begleitete ihn dann bis ans Lebensende.
Tatsächlich gelang dem 1890 im heutigen Tschechien gelungenen Österreicher dieses Vorhaben weitgehend. Mit schier unglaublichen Eskapaden, wie Bastian Kressers Roman „Als mir die Welt gehörte“ erzählt. Das wohl Unglaublichste an diesem Mann, dem es als berühmtestes Gaunerstück sogar gelang, den Eiffelturm zu verkaufen – es gab ihn wirklich.
Selbst die raffinierte Rahmenhandlung, die der österreichische Erfolgsautor eingebaut hat, beruht teils auf Tatsachen: Lustig foppte sogar Al Capone und war später mit dem Gangsterboss befreundet, als beide in Alcatraz einsaßen. Doch schon der Einstieg der irren Lebensgeschichte des Mannes, der die Langeweile als seinen größten Feind bezeichnete, ist grandios, denn Victor Lustig erzählt seinen Werdegang höchst persönlich.
Wie er mit 12 seinen ersten Taschendiebstahl begeht und sich bald aus der k.u.k.-Provinz ins goldene Paris absetzt. Und dann das Glück des Tüchtigen hat. Der Gendarm, der ihn beim Klauen erwischt und verdrischt, expediert ihn zu „La Dame“, Chefin eines Bordells. Mit ähnlichem Hintergrund wie er einst hierher gekommen, wird sie zu seiner Lehrmeisterin und Förderin. Hier lernt er die wichtigsten Lektionen für die weitere Karriere als Hochstapler, Trickbetrüger und Fälscher.
Als ebenso hinreißend unmoralischer wie fesselnder Schelmenroman erweisen sich nun die Ausführungen, wie Lustig die zehn Gebote des Hochstapelns erlernt und sie ungeniert ununterbrochen anwendet. Wie er mit den Lügen spielt - „Die Wahrheit ist oft so furchtbar schnörkellos, trivial“.
Natürlich hat er auch Manieren und Stil erlernt, um in besten Kreisen seine Spielchen treiben zu können, und als er mit 20 sein skrupelloses Betätigungsfeld erstmals in die USA ausweitet, öffnet ihm die Selbstadelung zum „Graf Victor Lustig“ ungeahnte weitere Möglichkeiten. Als Gentleman-Gauner verhökert er die „Rumänischen Schachteln“, selbstgebastelte Boxen zur Verdoppelung von Geldscheinen, ebenso elegant wie edle Weine, bei denen nur die gefälschten Etiketten edel sind.
Lustig ist ein schlawinerhafter Erzähler, der seine unablässigen Gaunereien nonchalant ganz uneitel aber mit größten Selbstbewusstsein schildert. Sein Tun mag unmoralisch und verwerflich sein, und doch muss man diesen kreativen Charmeur irgendwie mögen. Der dann erstaunlich große Parallelen zum Leben Al Capones entdeckt, allerdings ohne die Gewalttaten des Gangsters.
Und der „Graf“ ist erst 25, als er sein verrücktestes Ding dreht: den Verkauf des Eiffelturms für 270.000 Francs an einen Schrotthändler. Eine Zeitungsmeldung hatte ihn inspiriert, in der Abrissbefürworter das angeblich unpassende und so unterhaltungsintensive Bauwerk weghaben wollten. Wie der Pfiffikus das als stellvertretender Generaldirektor des Post- und Telegrafenministeriums bewerkstelligte, ist ein filmreifes Stück für sich selbst. Und ebenfalls historisch verbürgt.
Das noch viel größere Ding aber brachte ihm in den USA einerseits den Ruf als berühmtesten Geldfälscher der Geschichte ein, führte ihn jedoch zugleich trotz aller Vorsicht und Raffinesse vor Gericht. Und wegen einer kleinen Achillesferse, die er sich unbedacht geleistet hatte, zum Schluss sogar nach Alcatraz.
Das er selbst als Gentleman-Sträfling nicht überlebte, doch seine – fiktiven – Dialoge mit dem durch die Syphilis zeitweilig bereits gestörten Al Capone sind eine zusätzliche Würze dieses einzigartigen Romans. Fazit: das hat etwas von Felix Krull, ähnlich charmant und spannend, aber viel größer und eben in den Grundzügen weitgehend historisch verbürgt.

# Bastian Kresser: Als mir die Welt gehörte; 366 Seiten; Braumüller Verlag, Wien; € 26


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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