STEPHAN LUDWIG: „DER NETTE HERR HEINLEIN“


Norbert Heinlein, Ende 50, führt das Delicatessen- und Spirituosengeschäft Heinlein in dritter Generation. Qualität und Tradition sind ihm heilig und seine Kundschaft bedient er mit erlesenen selbstgemachten Pasteten und anderen kulinarischen Köstlichkeiten.
So auch den neuen markanten Stammgast Adam Morlok, und Heinlein ist glücklich und zufrieden, obwohl der Umsatz nur so gerade auskömmlich ist. Mit diesen und weiteren ruhig und gediegen dargebrachten Ausführungen beginnt Stephan Ludwigs jüngster Roman „Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller“.
Vorgestellt werden außerdem Heinleins Vater, der im Haus wohnt und viel Aufmerksamkeit erfordert – u.a. per Babyphone – da er arg dement ist zu zu skurrilen Ausfällen neigt. Ganz wichtig für Heinlein junior ist aber auch sein Mitarbeiter Marvin mit den technischen Fähigkeiten. Der herzensgute Heinlein hatte den 21-Jährigen aus einem Förderzentrum für Menschen mit Behinderung zu sich geholt.
Allerdings ist der junge Mann mit der dicken Brille alles andere als dumm, wegen heftigen stotterns jedoch fast völlig schweigsam, andererseits aber auch auf geradezu autistische Art ein Zahlen-Eidetiker. Heinlein und er verstehen sich quasi blind und der Chef fühlt sich sehr verantwortlich für ihn.
Der Roman entwickelt sich zunächst einfach nur mit gewisser Kauzigkeit und der Autor frönt fortlaufend seiner großen Leidenschaft fürs Kochen mit immer neuen köstlichen Kreationen aus der Küche. Bis ein Malheur passiert, das auf fatale Weise noch ganz viele weitere nach sich ziehen wird. Ausgerechnet Gourmet Heinlein erleidet bei einem häuslichen Unfall eine Gehirnerschütterung mit schockierender Folge: sein Geschmacks- und Geruchssinn sind weg!
Nur so kann es passieren, dass Heinlein, der weitere Kreationen nur noch auf Grundlage seiner Aufzeichnungen und ohne eigenes Kosten fertigen kann, dem werten Herrn Morlok eine Pastete kredenzt, die diesen elendig dahinrafft. In seiner unaussprechlichen Not weiß Heinlein nur einen Ausweg: er lagert den Toten im alten Kühlhaus im Keller des Hauses.
Natürlich dreht und wendet sich der ebenso ehrpusselige wie konfliktscheue Heinlein und kann sein Gewissen nur damit beruhigen, dass sich eine Selbstanzeige wegen der Verantwortung für Vater und Marvin ausschließt. Doch man ahnt es längst und das Geschehen hat bereits eine intensive Sogwirkung entfaltet – das losgetretene Schicksal sorgt bald schon für Nachschub im Keller.
Und es sind durchaus keine Zeitgenossen, über deren Ableben man sich grämen müsste. Außer natürlich Norbert Heinlein, der in immer ausweglosere Situationen gerät. Die er in hinreißender Hilflosigkeit und dank des immer wieder überraschenden Marvin meistert. Doch je spannender es wird, desto verrückter werden auch die Verstrickungen, die zunehmend enthüllen.
Ganz nebenher taucht auch noch Kommissar schröder auf und auch dessen Chef Zorn – aus der gleichnamigen Krimi-Serie Stephan Ludwigs – auf. Ohne jedoch all die Pirouetten der so erhaben schwarzhumorigen Geschichte zu stören, deren meisterhaft gezeichnete Charaktere zuweilen an Loriot erinnern. Mehr aber sei von diesem köstlichen 4-Gang-Krimi nicht verraten, der nur noch einen Wunsch offen lässt: den nach einer Verfilmung.

# Stephan Ludwig: Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller; 349 Seiten, Klappenbroschur; Scherz Verlag, Frankfurt; € 16

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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