SANDRA LÜPKES: „DAS LICHT IM RÜCKEN“


An einem Märznachmittag im Jahr 1914 fotografiert Oskar Barnack (1879-1936) eine Straßenszene am Eisenmarkt in Wetzlar. Keiner der Passanten hat etwas davon bemerkt, denn der Tüftler der hier beheimateten Leitz-Werke hat den allerersten Schnappschuss mit der weltweit ersten Kleinbildkamera gemacht.
Mit dieser Szene beginnt der neue Roman von Sandra Lüpkes unter dem Titel „Das Licht im Rücken“. Der kränkelnde Erfinder liebte das Fotografen in der Natur, doch das Gewicht der klobigen Plattenkameras konnte er einfach nicht bewältigen. So begann der Werkstattleiter, der seit 1911 bei Leitz arbeitete, eine Kamera zu entwickeln, die klein genug, um in eine Jackentasche zu passen.
Sein weitsichtiger Chef Ernst Leitz II. (1871-1956) war sofort begeistert und erkannte das Potential des von Barnack zunächst „Liliput“ genannten Apparates. Und die Leitz-Werke waren zu jener Zeit der erfolgreichste Hersteller hochwertiger Mikroskope. Durch den Ersten Weltkrieg verzögert, wurde die inzwischen „Leica“ - also Leitz-Camera – genannte Erfindung auf der Leipziger Messe 1925 vorgestellt und trat umgehend einen sensationellen Siegeszug um die Welt an.
Der intensiv recherchierte Historienroman vor sehr realem Hintergrund erzählt jedoch weit mehr als nur von der revolutionären Erfindung. Im Wesentlichen stehen hier zwei Familien im Wechselspiel. Da geht es um die Firmengeschichte um Ernst Leitz senior und junior sowie dessen Kinder. Von denen Tochter Elsie eine Hauptrolle einnimmt und das Werk in der Nazi-Zeit unter heiklen Umständen sogar vor der Enteignung rettet.
Die Ereignisse im Familienunternehmen und um Elsie wechseln wich immer wieder mit dem Schicksal der Familie Gabriel ab, die ein 2Haus der Geschenke“ in Wetzlar betreibt. Hier stehen die Kinder Milan und Dana im Mittelpunkt und zur gefährlichen Belastung wird hier ab 1933, dass Kaufmann Anton Gabriel Jude ist. Wobei die Linien der Familien stark miteinander verflochten sind und sich Ernst Leitz mit seinen Hilfsversuchen in ernste Schwierigkeiten bringt.
Hatte er die junge Dana noch rechtzeitig an eine Fotolabor in London vermitteln können, beruht Milans Überleben auf einer haarsträubenden Finte, mit der er sich einen Arier-Nachweis verschafft und schließlich ziemlich heil durch den Krieg kommt.
Erzählt wird das mit lebensnaher Sprache und mit viel Zeit- und Lokalkolorit. Im Anhang werden sämtliche Handlungsträger aufgeführt, so dass man erfährt, wie viele von ihnen historische Persönlichkeiten sind. Sämtliche Charaktere sind mit stimmigen Konturen gezeichnet. Ein gewisses Ungleichgewicht aber ist unübersehbar: Oskar Barnack und die Leica kommen zugunsten viel sonstiger Familiengeschichte und Ereignissen der Nazi-Zeit recht kurz weg.
Ein echter Zusatzgewinn sind die zahlreichen Schwarzweißfotos zum Einen von den Leica-Exemplaren verschiedener Entwicklungsstufen und andererseits von echten, zum Teil berühmten historischen Fotografien. Fazit: keine literarischer Höhenflug aber ein Historienroman, der hervorragend unterhält.

# Sandra Lüpkes: Das Licht im Rücken; 490 Seiten, div. SW-Abb.; Kindler Verlag, Hamburg; € 23

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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