PAUL McCARTNEY: „1964 – AUGEN DES STURMS“


Die Beatles hatten 1963 einen einzigartigen Siegeszug durch die Hitparaden gemacht. Im Dezember 1963 aber brach das aus, was als „Beatlemania“ um die Welt gehen sollte. Und als Mitte Januar „I want to hold your Hand“ in den USA in die Hitparaden schoss, wäre das, was dann folgte, mit dem Begriff Sensation noch weit untertrieben ausgedrückt.
Nun aber gibt es eine Art Nach-Sensation zu feiern, denn bei Recherchen wurde in Paul McCartney's Archiv bei MPL ein Bilderschatz wiederentdeckt, vom dem der einstige Beatle nur noch wage wusste, dass es ihn gegeben hatte. Und der Schatz war noch größer, als er vermutet hatte: fast 1.000 Fotos, allesamt von Beatle Paul aufgenommen.
Daraus ist jetzt mit 275 ausgesuchten Fotos der hinreißende Bildband „1964 – Augen des Sturms“ entstanden. Der Titel habe sich aufgedrängt, so McCartney, denn es waren intensive und völlig verrückte Monate und mit seiner Kamera habe er gewissermaßen wie aus dem Zentrum eines irren Sturms heraus seine Bilder geschossen.
Von Dezember 1963 bis einschließlich Februar 1964 ging es auf die legendäre erste ganz große Tournee in sechs Städte von Liverpool, London und Paris dann in die USA. Im Herbst hatte der 21-jährige Sänger und Bassist seine erste Spiegelreflexkamera, eine Pentax SLR 35 mm, bekommen, und mit der hielt der bekennende „begeisterte Gelegenheitsfotograf“ immer wieder drauf.
Wie er es selbst beschreibt, ging er gänzlich spontan und unprätentiös vor. Da war so manches Bild technisch alles andere als perfekt. Er sei ja kein Meister gewesen und vor allem fast immer in Eile. Aber es waren ja weitgehend Fotografien off the record: „Bilder, die niemand sonst hätte machen können.“
Entsprechend intim sind manche geraten, wie zum Beispiel von John Lennon mit der nur privat getragenen dicken Hornbrille oder vom sonst so konservativ gestylten Manager Brian Epstein in Pool-Kleidung. Dass Paul selbst auch auf etlichen Bildern zu sehen ist, verdankt die Sammlung dem Umstand, dass er auch andere aus dem innersten Kreis mit seiner Kamera fotografieren ließ.
In den jeweiligen Einleitungen zu einzelnen Kapiteln erinnert sich McCartney an diese irre Zeit, als „wie soll man es beschreiben – die Hölle losbrach.“ Eindringlich schildert er diese unglaublichen Momente, in denen sich die Kultur verwandelte und sie vier waren als Auslöser und Augen dieses Sturms mittendrin.
Immer wieder ist da die Begeisterung und vor allem das Staunen herauszuhören über all die Ereignisse und Begleiterscheinungen dieses Flächenbrandes namens „Beatlemania“. Dieser Moment des absoluten Höhepunkts am 9. Februart 1964, als 73 Millionen Fernsehzuschauer die „Ed Sullivan Show“ mit den Fab Four verfolgten – mehr als die britische Heimat an Bevölkerung zählte!
In ihrer Einleitung des Bildbandes geht die amerikanische Historikerin Jill Lepore auf das Durchstarten dieser kulturellen Revolution so unmittelbar nach dem Trauma der Ermordung von Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 ein, und wie dennoch der US-Siegeszug der Beatles ab Januar 1964 Millionen nicht nur ganz junge Menschen mitriss.
In einem Essay geht im Übrigen Rosie Broadley, Chefkuratorin der National Portrait Gallery London, auf Paul McCartney's Fotografieren ein. Dem „eine gewisse Unschuld“ innewohne. Und die eine ganz eigene Kunstfertigkeit offenbare, sei es in Schwarz-Weiß oder als der junge Brite für Miami auch einen Farbfilm einlegte.
Fazit: ein einzigartiges Buchschatz, der mit seinen Bildern und den dazugestellten Erinnerungen nicht nur Beatles- und Musik-Fans begeistern dürfte.

# Paul McCartney: 1964 – Augen des Sturms (aus dem Englischen von Conny Lösch); 335 Seiten, 275 Abb., Großformat; C. H. Beck Verlag, München; € 49,90

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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