AXEL S. MEYER: DER SONNE SO
NAH
Nach seinem Roman Der Mann, der die Welt ordnete um den schwedischen
Naturforscher Carl von Linné widmet sich Erfolgsautor Axel S. Meyer mit seinem neuen
Historienroman über reale Persönlichkeiten der Geschichte diesmal mit Ferdinand Graf von
Zeppelin und Otto Lilienthal gleich zwei legendären Flugpionieren.
Der Sonne so nah heißt denn auch der Titel, der besonders bei dem vor genau
175 Jahren geborenen Lilienthal treffender kaum sein könnte, denn seine Flugversuche
ähnelten denen des Ikarus in starkem Maße. Wie der griechische Held der Antike stürzte
auch der sogenannte Vogelflieger mit seinen fragilen Schwingen in den Tod.
Historiker Meyer gibt dem Roman eine geschickte Klammer durch zwei reale Pressemeldungen.
Da schreibt die Presse am 8. August 1894 über den Ingenieur Otto Lilienthal als dem
verrückten Vogelmenschen, der mit selbstgebastelten Flügeln Flugversuche von
einem Hügel aus unternimmt. Am Schluss aber steht der Zeitungsausriss vom 2. Juli 1900
über Graf Zeppelin als unser Kolumbus der Lüfte, dessen 125 Meter langes
Luftschiff tatsächlich abgehoben und eine richtige Fahrt durch die Lüfte absolviert hat.
Zwischen diesen Meldungen spannt sich ein höchst unterhaltsam geschriebener Roman, dessen
Abweichungen von der historischen Wirklichkeit der Autor im detailliert erläuternden
Nachwort beleuchtet. Unbestritten ist die sehr unterschiedliche Herkunft der beiden
Flugpioniere. So wird Zeppelin 1838 am Bodensee in Adelskreise geboren und schlägt als
junger Mann der Familienehre wegen eine Militärkarriere ein.
Lilienthal hingegen, 1848 in Anklam geboren, wächst in ärmlichen Verhältnissen in
Vorpommern auf, hat aber schon als Junge gemeinsam mit Bruder Gustav den leidenschaftlich
verfolgten Wunsch, fliegen zu können, seit sie den Flug der Störche beobachten konnten.
Die Brüder schaffen den Aufstieg zu Ingenieuren und Unternehmern, ihr ganzes Ansinnen
jedoch gilt nebenher der Entwicklung von Flugapparaten für den menschlichen Gebrauch.
Ob Liliental und Zeppelin jemals konkret aufeinander getroffen sind, ist nicht gesichert.
Beide weilten jedoch im Laufe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 in oder bei
Paris. Für den Kavallerie-Offizier Zeppelin wurde der Einsatz der Heißluftballone für
militärische Zwecke der entscheidende Denkanstoß für das Austüfteln von Fluggeräten,
die nicht nur in die Lüfte aufsteigen konnten, sondern dabei auch lenkbar wären.
Schließlich entwickelten Otto und Gustav Lilienthal geflügelte Gerätschaften, die mit
Armbewegungen Flügelschläge ermöglichten. Und 1891 gelangen erste Flüge vom
Hügel, anfangs nur wenige Meter und mit immer neuen Fortentwicklungen solche von bis zu
250 Metern. Neben den unermüdlichen Arbeiten der Brüder wird natürlich deren sonstiges
privates Leben ebenso romanhaft dargestellt wie das des württembergischen Grafen,
wenngleich recht nah an der Realität.
Verspottet und verhöhnt wurden die Flugpioniere durch die gesamte Öffentlichkeit und bei
Zeppelin war es selbst der Kaiser, der ihn der Lächerlichkeit preisgab. Wie gegen
Windmühlenflügel kämpfte der inzwischen zum General aufgestiegene Zeppelin, der von den
amtlichen Gegnern seiner Pläne für Lenkballone als launenhaft und unduldsam
geschmäht wurde.
Als Otto Lilienthal dann am 9. August 1896 ohne eigene Schuld bei einem weiteren
Flugversuch in den Tod stürzte, hatte der in der Ferne mit ihm wetteifernde Graf Zeppelin
noch jahrelang große Kämpfe und Verunglimpfungen vor sich, bis sein Zeppelin
am 2. Juli 1900 alle Spötter und Zweifler eines Besseren belehrte und die Luftschiff-Ära
anbrach.
Fazit: ein fesselnder Historienroman um zwei echte deutsche Flugpioniere und nicht nur
für Technikfreunde ein spannendes Lesevergnügen.
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