GUNTRAM SCHULZE-WEGENER: „DEUTSCHLAND ZUR SEE“

 
„Beschließt die Nationalversammlung, dass die Bundesversammlung zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern zum Zwecke der Begründung eines Anfangs für die deutsche Marine....verfügbar zu machen?“ Dieser Antrag wurde am 14. Juni 1848 in der sogenannten Paulskirchen-Versammlung in Frankfurt am Main mit einem fast einhelligen Ja beschieden.
Damit gilt dieses Datum als Gründungstag der deutschen Marine. Bereits zum 150. Jahrestag dieses Ereignisses verfasste Dr. Guntram Schulze-Wegener dazu unter dem Titel „Deutschland zur See“ eine große Chronik. Jetzt hat der Fregattenkapitän a.D. eine völlig neu konzipierte Neuauflage unter dem Titel „Deutschland zur See. 175 Jahre Marine“ vorgelegt.
Der Bogen spannt sich darin vom Eingangskapitel über „Seeherrschaft in der deutschen Geschichte“ bis zum Abschlusskapitel, in dem Vizeadmiral Jan-Christian Kaack, Inspekteur der Deutschen Marine, unter dem Titel „Ende der Illusionen“ auf die Zukunft dieser Teilstreitmacht und ihre Rolle seit dem 24. Februar 2022 eingeht.
Kenntnisreich und mit einer Fülle historischer und aktueller Abbildungen aus der sehr wechselvollen Geschichte von der Reichsflotte über die Kriegsmarine zur Nazi-Zeit und bis zur jetzigen Bundesmarine spannt sich der Bogen. Wobei auch ein eigenes Kapitel über die Volksmarine der DDR (1956-1990) nicht fehlt.
Die Anfänge im Gründungsjahr waren äußerst bescheiden mit zunächst einer einzigen Segelkorvette im Jahr 1848. Doch auch nach der Reichsgründung von 1871 ging es auf schmalem Niveau weiter, denn Reichskanzler Otto von Bismarck war sich mit Kaiser Wilhelm I. einig, dass das Reich „saturiert“ sei und keine mächtige Flotte benötige. Was sich erst mit Wilhelm II. und seinem Flottenbaumeister Alfred von Tirpitz änderte.
Detailliert werden die rasanten Fortschritte der Aufrüstung beschrieben, wo schließlich die Flottennovelle von 1912 unter anderem 41 Linienschiffe als Ziel vorgab. Und dennoch sollte im Ringen mit der britischen Grand Fleet nur in der Skaagerak-Schlacht von 1916 wenigsten ein Unentschieden erzielt werden.
Neben Übersichten über Flottenstärken deutscher Geschwader weltweit und dem Überraschungserfolg der anfangs belächelten U-Boot-Waffe folgen jedoch die Tiefpunkte. Dass die Revolution, die das Kaiserreich hinwegfegte, von meuternden Kriegsschiffsmatrosen ausging und dass die Hochseeflotte 1919 vor Scapa Flow durch Selbstversenkung unterging.
Die Zwischenzeit wird beschrieben, bis aus der kleinen „Vorläufigen Reichsmarine“ 1935 die Kriegsmarine der Nazis wurde, deren Z-Plan 1939 eine Flotte von mindestens zehn Schlachtschiffen und drei Flugzeugträgern bis 1945/46 vorsah. Erfolge und Katastrophen dieser Marine im Zweiten Weltkrieg werden kritisch-objektiv dargelegt und für das große U-Boot-Kapitel gibt es eigens einen ausklappbaren Seitenriss des legendären Typs VII C.
Die Anfänge von Bundesmarine und Volksmarine in den 50er Jahren stehen dann im jeweiligen Bündniskontext und für die Entwicklung seit der Wiedervereinigung folgt das Kapitel „Weltweit im Einsatz“. Zu dem reichen Bild- und Faktenmaterial gesellt sich im Übrigen eine Übersicht über Flaggen, Symbole und Brauchtum sowie eine Chronik der Marine von 1848 bis 2023. Fazit: der Historiker und Marine-Experte Schulze-Wegener lässt bei diesem hervorragend aufgemachten Jubiläumsband keine Wünsche offen.

 


# Guntram Schulze-Wegener: Deutschland zur See. 175 Jahre Marine; 239 Seiten, div. Abb., Großformat; Mittler im Maximilianverlag, Hamburg; € 44,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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