MAJA ILISCH: UNTEN
Seit Generationen hat niemand das Haus verlassen, das bis in den Himmel zu reichen
scheint. Auch Nevo nicht, die mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung im Stockwerk
Zinnober Vier wohnt. Das gehört zwar nicht zu denen der besseren
Gesellschaft, liegt aber weit über denen, wo das schlimme Pack lebt.
Unten heißt denn auch der Titel des ersten Jugendbuchs von Erfolgsautorin
Maja Ilisch. Erst einmal jedoch spielt Nevo im Flur Fangen mit ihrer besten Freundin Juma.
Das ist von der Hausverwaltrung ebenso verboten wie alles sonst, was Spaß macht. Und wenn
sie nicht an die Regeln hält, riskiert sie, dass ihre Mutter die Wohnung verliert und sie
müssten nach unten ziehen.
Also nehmen die Mädchen reißaus, als Männer von der strengen Hausverwaltung nahen. Doch
zum Verstecken reicht es nur noch für Juma, denn der Wäscheschaft, in den sie klettert,
ist zu eng für zwei. Immerhin erhält Nevo nur eine schriftliche Ermahnung. Als sie dann
jedoch nach Juma sucht, ist die nicht zu finden.
Aber es kommt noch viel schlimmer, denn als Nevo ihrer Mutter davon berichtet, reagiert
die mit einem etwas erstaunten Wer ist Juma? Dieselbe Antwort erhält sie dann
auch bei Jumas Mutter als Antwort. Stattdessen wird ihr Miu als Tochter vorgestellt
als wäre es nie anders gewesen.
In ihrer Verzweiflung wendet sich Nevo an einen freundlichen einsamen Nachbarn, den alten
Herrn Tal. Als sie überlegt, ob sie es wohl wagen soll, unten nach Juma zu suchen, obwohl
jeder davor warnt, weil noch nie jemand von dort zurückgekommen ist und es ganz übel
dort sein soll, weiß der gütige Alte nur einen Rat: Willst du Antworten oder
willst die Fragen?
Also gibt es nur eines hinein in den Wäscheschacht, denn in den endlosen Fluren
und Treppenhäusern lauern Wächter, Kameras und, wie sie noch feststellen wird, sogar
Schussanlagen. Tatsächlich kann Nevo diese Gefahren umgehen, doch der Weg ist düster und
unheimlich.
Und dann landet sie in der Wäscheklammer und in einer bizarren Welt, die aber noch gar
nicht ganz unten zu sein scheint. Einerseits wirken die Menschen hier unten nicht wie die
behaupteten Finsterlinge, andererseits entdeckt Nevo solch makabre Geheimnisse wie eine
mysteriöse Kinderstation. Dabei tun sich aber immer neue Gefahren auf.
Allerdings findet sie tatsächlich ihre Freundin und es geht in ein hochspannendes Finale.
Dazu gehört, dass sie in die so allmächtige Hausverwaltung eindringen und Nevo eine
verwegene Idee gegen die heilige Hausordnung hat, vor der sich alle im Haus seit jeher
fürchten.
Kann es nach all den Jahren voller Angst und mit erdrückendem Fatalismus ertragender
Dumpfheit so etwas wie ein Happyend geben? Das bleibt bis zuletzt absolut fesselnd und
macht auch im Nachhinein sehr nachdenklich . Fazit: ein hochklassiger dystopischer Roman
für junge Leser ab etwa 12 Jahre mit viel Tiefe und der großen Leitidee: Wenn du
frei sein willst, musst du die Regeln brechen. Wenn alle frei sein sollen, musst du die
Regeln ändern.
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