GEORG M. OSWALD: IN UNSEREN KREISEN“


Über eines waren sich Tatjana und Nikolai Sandmann gleich klar: „Diese Nachricht würde weitreichende Folgen haben, wenn sie auch nicht genau wussten, welche.“
Um das weitere Leben der Sandmanns nach der Gewissheit, dass der bis dahin nicht sonderlich ernst genommene Gedanke an ein größeres Erbe plötzlich Realität ist, geht es in Georg M. Oswalds neuen Roman „In unseren Kreisen“. Die kleine Familie mit der zehnjährigen Tochter Marie lebt in einem angesagten Viertel in München in einer kleinen sanierten Altbauwohnung.
Ihr Dasein als mäßig erfolgreicher Schriftsteller und Museumskuratorin ist angenehm aber nicht üppig. Ganz im Gegensatz zu Tante Rose, die zur Eröffnung vorgestellt wird als mondäne Bewohnerin einer Bauhaus-Villa im teuren Philosophen-Viertel. Sie hatte eine Art Hippieleben zelebriert, bevor sie mit Ehemann Rudolf von Kalifornien aus zurückkehrte.
Sie hatte ihre Ehe ebenso innig wie offen gelebt und nach seinem Tod vor 21 Jahren weiter eine enge Geistbeziehung mit ihm geführt. Mit genau dem Orgonakkumulator nach den Lehren Wilhelm Reichs, mit dem er sein Vermögen vermehrt hatte. Als die Verbindung nun endgültig verstummt, begibt sich die bewusst kontaktarme Rose in eine Schweizer Freitod-Klinik.
Da wird die Testamentsverkündung dann für Tatjana und Nikolai – aus dessen Perspektive das Weitere erzählt wird – ein wahrlich lebensverändernder Akt. Die Villa ist Millionen wert und die Tante hat auch genügend Barmittel hinterlassen, damit die Nichte sich das Erbe auch leisten kann. Gleichwohl hatte Nikolai Bedenken, denn diese Erbschaft griff ihre bisherige moralische Glaubwürdigkeit an.
Doch so sehr er sich innerlich sträubt, wagt er mangels triftigem Grund nicht, etwas gegen den Wechsel vorzubringen. Zumal unverzüglich eine schleichende Veränderung im Innenverhältnis einsetzt und Nikolai bald staunt über Tatjanas Veränderung in Selbstbewusstsein und Sozialverhalten.
Und gegen jedwede Bedenken bringt sie ein unschlagbares Zitat vor: „Die Zeiten, in denen einfach irgendetwas schiefging, sind vorbei, mein Lieber. Wir haben jetzt die Mittel, die man braucht, um zu verhindern, dass etwas schiefgeht.“ Wie etwa der Übergang Maries aufs vornehme Privatgymnasium, nachdem ihr die Klassenlehrerin noch die Gymnasialempfehlung verweigert hatte.
Auch das nun einsetzende Kennenlernen des Millionärsviertel mit allerlei exzentrischen Bewohnern entfaltet sich subtil und stimmig, vor allem aber mit messerscharfem Blick für die Charaktere. Mag Nikolai auch irgendwie fremdeln mit diesen Lebensumständen und sorgen auch Hinweise auf einen üblen Eigentümerwechsel in Nazi-Zeiten vorübergehend für einige schlaflose Nächte, befand auch Nikolai schließlich: „Sie hatten einfach Glück gehabt. War das ein Verbrechen?“
Fazit: ein ganz unaufgeregt erzählter Gesellschaftsroman ohne spektakuläre Handlung aber mit einer ebenso exzellenten wie amüsanten Milieustudie.

# Georg M. Oswald: In unseren Kreisen; 207 Seiten; Piper Verlag, München; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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