TANJA RAICH: „SCHWERER ALS DAS LICHT“


„Bald wird selbst die Sonne von der Dunkelheit verschluckt werden. Der Schatten war immer schon schwerer als das Licht.“ Dahin wandelt sich die Insel, die doch am Anfang als ein Paradies erschien.
„Schwerer als das Licht“ heißt denn auch der Titel von Tanja Raichs jüngstem Roman. Im Mittelpunkt steht eine namenlose Frau, die vor einiger Zeit auf diese Insel angeschwemmt wurde. Mal erzählt sie selbst, was sie erlebt, mal wird das in der 3. Person von ihr erzählt. Auch von der Vergangenheit, das aber in vagen Ansätzen.
Allmählich nähert sie sich einer stetig wachsenden Verzweiflung, denn was sie als einfaches, primitives Paradies kennenlernte - „Die Insel gab alles, was es zum Leben brauchte“ - beginnt zu welken, schwarz zu werden, zu schwinden. Längst hat sie ihr Haus, das sie als Ruine vorgefunden hatte, zu einer massiv bewehrten Festung ausgebaut.
Das schien erforderlich, denn die anderen, offenbar recht archaischen und gefährlich abergläubisch gepolten Menschen aus dem Dorf im Norden wollen sie allem Anschein nach am liebsten tot sehen. Dabei gab es sogar einen guruhaften Mann von dort, mit dem sie ein kurzes auch körperliches Glück erlebte. Längst aber hat sie sogar eine Demarkationslinie aus angespitzten Bambusstöcken zwischen sich und den anderen aufgebaut.
Doch jetzt scheint das beinahe zur Nebensache zu werden, denn der Wald verkümmert, alles verdorrt und fault, die Tiere werden untereinander zu Kannibalen und selbst das Meer scheint dem Verderben geweiht. Die existentielle Krise wächst unaufhaltsam und mit ihr die Panik der Protagonistin. Immer wieder überwältigen sie dabei die sinnlichen Wahrnehmungen, bei denen Licht und Dunkelheit von dystopischer Magie sind.
Doch so wie das Dunkle wächst, so schwankt auch die Wahrnehmung dieses weiblichen Robinsons der endzeitlichen Art wie im Delirium: was ist real, was ein Fieberwahn? Ist es eine lokale Katastrophe, ist es die Klimakrise und der generelle Weltuntergang?
Die dichte Atmosphäre, die Überfülle der düsteren Details – dieser sprachgewaltige Roman ist mit schnörkelloser Prosa geschrieben und zugleich mit schlichter Poesie. Ein verstörendes Stück Literatur, das nicht leicht zu ertragen ist und mit all seiner Rätselhaftigkeit lange nachhallt.


 

# Tanja Raich: Schwerer als das Licht; 192 Seiten; Blessing Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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