JULIA SCHOCH: „DAS LIEBESPAAR DES JAHRHUNDERTS“


„Im Grunde ist es ganz einfach: Ich verlasse dich.“ So schlicht setzt Julia Schochs neuer Roman „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ ein, Nachdem die Erfolgsautorin den Schubart-Preis 2023 für „Das Vorkommnis“ erhalten hat, ist dies der zweite Teil einer Trilogie und auch er trägt den Untertitel „Biographie einer Frau“.
Diesmal geht es um eine Ich-Erzählerin und ihre über 30 Jahre währende Beziehung mit ihrem Partner, der wie sie selbst ohne Namen auskommt, dafür jedoch immer wieder in ihren Gedanken mit „Du“ direkt angesprochen wird. Den Anfangssatz denkt die Protagonistin ebenfalls nur, er wird niemals ausgesprochen und entfaltet doch eine nie wieder einzuholende Wirkung.
Wobei dieser Gedanke, als er plötzlich bewusst da ist, irgendwie erschreckt. Weil – er nicht wirklich erschreckt, so undenkbar er bis dahin auch war. Nachdem dieser Stein einmal unauslöschlich ins Wasser gefallen ist, setzt das Erinnern ein. 30 Jahre sind vergangen, seit sie sich auf dem Campus im Sekundenbruchteil ihn ihn verliebt hat und ihre intensive Liebe begann.
Etwas Besonderes sei diese Liebe gewesen und schon deshalb grenzten sie sich von anderen Paaren ab. Und verfassten für sich ein „Manifest der radikal Liebenden“ und schwelgen in einer Welle der Euphorie. Um so mehr erstaunen die Ich-Erzählerin mitten in den Erinnerungen an das viele gemeinsam Erlebte erste Bruchstücke, die das Liebesgefühl irgendwie stolpern lassen.
Ihr einseitiger Trennungsgedanke schwindet nicht mehr, obwohl statt des Vollzugs dann doch und durchaus bewusst ein zweites Kind kommt. Was den Gedanken dennoch nicht verscheucht, während er zugleich längst seinen Schrecken als konkrete Möglichkeit verloren hat.
Wann hat es eingesetzt und was eigentlich waren ihre eigenen Erwartungen? Und es wird mit unausweichlicher Präzision zunehmend deutlicher: nein, dieser Liebe ist nichts Böses oder Tragisches widerfahren, nur der Alltag und die Abnutzung.
„Wenn wir drei Jahre schaffen, sehen wir weiter“, waren sie sich im ersten gemeinsamen Sommer einig gewesen. Um so erstaunter stellt die Ich-Erzählerin erst am Ende all der Reflexionen über 30 Jahre einer großen Liebe fest: „Wir haben nie geheiratet.“
Dass diese Denk- und Verhaltensmuster einer Frau zu keinem Augenblick öde werden, sondern eine subtile Sogwirkung entfalten, verdankt dieser Roman seiner realen und schonungslosen Selbstbeschau. Bei all den Zweifeln, dem Abwägen und Analysieren bleibt die Prosa stets schonungslos und souverän ohne jede Larmoyanz.
Und immer wieder fallen da einzigartige kristallklare Sätze, die man erneut liest – was die ganze Meisterschaft dieser „Biographie einer Frau“ unterstreicht.

# Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts; 191 Seiten; dtv Verlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1706 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de