VIRGINIA COWLES: „LOOKING FOR TROUBLE“


1941 verfasste Virginia Cowles (1910-1983) ein Erinnerungsbuch mit ihren Reportagen unter dem Titel „Looking for Trouble“. Es wurde ein Bestseller, doch trotz weiterer Bucherfolge unter anderem mit Biografien zu Churchill und Kaiser Wilhelm II. geriet die amerikanische Spitzenjournalistin lange in Vergessenheit.
40 Jahre nach der Erstauflage wurde „Looking for Trouble“ endlich neu aufgelegt und jetzt liegt dieses einzigartige Buch auch auf Deutsch vor. Virginia Cowles hätte eigentlich einen Bekanntheitsgrad als Kriegsberichterstatterin wie ihre berühmte Kollegin Martha Gellhorn verdient gehabt, denn sie gehörte in ihrem Metier zu den Pionierinnen.
Wobei sie ein spezielles Ausnahmetalent war, denn als sie in die lebenslang von ihr sehr geschätzte Wahlheimat Großbritannien kam, wollte die Tochter aus gutem Hause zwar genau diesen Beruf ausüben. Bis dato aber hatte die attraktive junge Society-Kolumnistin lediglich vom New City-Klatsch berichtet und sie bekannte offen, ihre einzige Qualifikation sei ihre Neugier.
Als sie dann im April 1937 ihren ersten Einsatz antrat, erschien sie in maßgeschneidertem Kostüm, Pelzjacke und Pumps samt Köfferchen und Reiseschreibmaschine im bürgerkriegsumtobten Madrid. Doch Cowles schlägt sich nicht nur clever, ihre blitzgescheiten Reportagen glänzen von Beginn an durch den hinreißenden Stil, in dem sie ebenso anschaulich wie stimmungsvoll berichtet.
Wie später noch wiederholt, schaut Cowles schon hier auf beide Seiten: sie recherchiert auch bei den Franquisten. Und immer wieder gelingen ihr Treffen mit Schlüsselfiguren dieser konfliktgeladenen Jahre. Wobei ihr erstes Politikerinterview mit keinem Geringeren als Italiens Diktator Mussolini stattfindet, der sich dabei sehr typisch gockelhaft gebärdet. Sie erlebt einen gut aufgelegten Churchill noch vor seiner Schicksalsrolle als Premierminister, aber auch Adolf Hitler, wie er auf dem Nürnberger Reichsparteitag die Menge in Ekstase versetzt.
Ihre Analysen sind hervorragend, wenn sie zum Beispiel gegen Ende von Stalins Säuberungen Moskau besucht und von den paradoxen Verhältnissen berichtet. Da leben die Massen in ärmlichsten Verhältnissen und sind mit Sendungsbewusstsein gegenüber dem kapitalistischen Westen stolz auf ihre vermeintlichen Errungenschaften.
Und es ergeben sich erstaunliche Parallelen zum aktuellen Ukraine-Krieg: sei es in der erschütternden Unterlegenheit der regulären Truppen der gewählten spanischen Regierung gegenüber der geballten Militärmaschine Francos samt Unterstützung seiner faschistischen Freunde in Berlin und Rom. Oder aber noch direkter Ende 1939 beim sowjetischen Überfall auf Finnland.
Mit demselben Ziel der Unterwerfung ehemaligen „Eigentums“ fielen Stalins Divisionen in das militärisch hoffnungslos unterlegen Nachbarland ein und holten sich durch Selbstüberschätzung und Stümperei eine blutige Nase. Cowles ist vor Ort und finnischer Seite wie auch im Sudetenland direkt vor dem fatalen Münchner Abkommen. Und nachdem sie bereits am 15. August 1939 den düsteren Satz „Der Frieden lag im Sterben“ geprägt hatte, erlebt und beschreibt sie die Nacht vor dem Überfall der Wehrmacht auf Polen von Berlin aus.
Immer wieder im richtigen Augenblick am „richtigen“ Ort ist sie in London am ersten Tag des „Blitz“, der sogenannten Battle of Britain. Und sie fährt nach Poaris, als die Wehrmacht bereits einmarschiert, so dass sie erst im letzten Moment den Besatzern entkommt. Wobei ihr bei den Begegnungen mit Nazis ganz besonders deren Selbstgefälligkeit in Erinnerung blieb.
Im Mai 1941 zog sich die abgehetzte Kriegsberichterstatterin vorübergehend aufs englische Land zurück und schuf aus ihrem unglaublichen Reportagenschatz dieses Erinnerungsbuch, das sie dann auch intensiv dafür einsetzte, ihre noch neutralen Landsleute daheim zur Unterstützung zu überzeugen.
Für heutige Leser aber faszinieren diese ebenso spannenden wie detaillierten und scharfsichtigen Reportagen gerade durch die Unmittelbarkeit, mit der sie entstanden sind. Das ist nicht aus Quellen oder von zeitzeugen recherchiert – das ist durchweg unverfälschter O-Ton. Derartige Eindrücke, Einblicke und Beschreibungen sind für jeden geschichtlich Interessierten eine grandiose Fundgrube der Berichterstattung.

# Virginia Cowles: Looking for Trouble (aus dem Englischen von Monika Köpfer); 638 Seiten; DuMont Verlag, Köln; € 28

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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