KAREN JENNINGS: „EINE INSEL“


Seit 23 Jahren lebt Samuel jetzt auf der kleinen Insel als Leuchtturmwärter und einziger Bewohner. Obwohl alle zwei Wochen das Versorgungsboot kommt, könnte man sein Dasein eine Robinsonade nennen.
Und die beginnt in „Eine Insel“, dem ersten auch auf Deutsch erschienenen Roman der südafrikanischen Autorin Karen Jennings mit einem Schockerlebnis. Seit langem wurden immer wieder mal Leichen angeschwemmt, vermutlich Flüchtlinge. Nummer 33 aber erweist sich als noch am Leben, wenn auch verletzt. Ein großer junger Mann.
Ein Freitag für den einsamen und gesundheitlich arg heruntergekommenen 70-Jährigen? Ganz und gar nicht: „Er war auf Samuels Insel nicht willkommen.“ Mit dem primitiven Haus, seiner geliebten Hühnerzucht und dem besonderen Schützling, der kleinen roten Henne, und dazu den Arbeiten im Garten und an den in mühevoller Arbeit zum Schutz angelegten Mauern war er vollauf zufrieden.
Mit dem „Mann“, wie er ihn wegen der Sprachbarriere nur nennt, muss er nun das wenige genau eingeteilte Essen und auch den kargen Platz im Haus teilen. Und der Fremde macht dem menschenscheuen Einsiedler Angst – kann er ihm trauen? Was für Absichten hat er und wie gefährlich kann er ihm werden?
Vor allem aber reißt die Gegenwart des Fremden mühsam aufgebaute Schutzwälle wieder ein gegen die furchtbare Vergangenheit. Vertreibung, bittere Armut, Kriminalität und er stets auf der Schattenseite des Lebens. Wo er wegen des politischen Aufbegehrens im Lande sogar 23 Jahre KZ-ähnliche Haft durchlitt, die ihm Würde und Selbstachtung nahm.
„Eine Insel“ ist eine ebenso meisterhafte wie deprimierende Robinsonade der anderen Art und ohne die klare unsentimentale Sprache wäre sie wohl unerträglich.

# Karen Jennings: Eine Insel (aus dem Englischen von Regina Rawlinson); 238 Seiten; Blessing Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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