FRIEDRICH ANI: „BULLAUGE“


Kay Oleander hockt zuhause herum, noch krankgeschrieben, und brütet in der Ungewissheit, ob er nun mit 54 wenigstens noch Innendienst würde machen dürfen. Auf einer Demonstration sogenannter „Spaziergänger“ in München hatte jemand eine Bierflasche auf den Polizeibeamten geschleudert und dadurch sein linkes Auge unrettbar beschädigt.
Damit beginnt Friedrich Anis jüngster Roman unter dem Titel „Bullauge“ und der vielfach preisgekrönte Erfolgsautor lässt nun ein dunkles Gesellschaftsbild entstehen. Als Oleander aus den Akten von dem Verdacht erführt, die einstige Apothekerin Silvia Glaser können die Flaschenwerferin gewesen sein, sucht er sie unter einem Vorwand auf.
Nun entfaltet sich das Bild zweier Versehrter, denn die 61-Jährige ist ein unschuldiges Polizeiopfer, seit ein Streifenwagen ihren Sturn mit einem Fahrrad verursachte, der sie zur Hüftbehinderten mit Gehstock machte, der gerichtlich jede Entschädigung versagt wurde. Aus Groll auf die Polizei wurde Hass und sie wandte sich der populistischen Neuen Volkspartei Deutschland (NVD) zu.
Dass nicht nur ihr dortiger Partner rechtsextrem ausgerichtet ist, nimmt sie hin, engagioert sich sogar parteiintern. Doch sie erfährt schließlich von Plänen, die ihr viel zu weit gehen: anscheinend plant eine Gruppe um den geheimnisvollen „Blauen“, dessen Identität auch sie nicht kennt, ein Fanal mit einem Anschlag auf den Bundespräsidenten am 9. November am Jüdischen Zentrum mitten in München.
Oleander und Glaser, diese beiden vom Leben Gebeutelten, wollen etwas geraderichten. Auf sehr eigene Weise versuchen sie zu verhindern, was verhindert werden muss. Das entwickelt sich langsam und komplex und ohne jede Schwarzweißmalerei – da sind die Polizisten nicht nur die lupenrein Guten und die Rechtsradikalen nicht nur finstere Dumpfbacken – und schließlich gewinnt das Geschehen an Hochspannung und mündet in ein knackiges Finale mit einigen Überraschungen.
Insgesamt zeichnet sich dieser ebenso grüblerische wie unerbittlich gesellschaftskritische Roman durch seine glaubhaften Charaktere und den psychologischen Tiefgang aus, leicht zu konsumierende Krimikost sollte man hier jedoch nicht erwarten.

# Friedrich Ani: Bullauge; 267 Seiten; Suhrkamp Verlag, Berlin; € 23

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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