PAWEL FILATJEW: „ZOV - DER VERBOTENE BERICHT“

 
Als die russische Armee am 24. Februar letzten Jahres die Ukraine überfiel, hatten die Soldaten des 56. Luftsturmregiments bereits einen Monat unter üblen Bedingungen auf einem primitiven Truppenübungsplatz jenseits der Grenze kampiert und waren bei Angriffsbeginn bereits durch schlechte Ernährung, zu wenig Schlaf, fehlende Hygiene und warme Kleidung ausgelaugt.
Beim Vormarsch auf das süd-ukrainische Cherson erwiesen sich die eklatanten Mängel in der Truppe als noch gravierender. Unfähige Offiziere, verwahrlostes Material, Fahrzeuge ohne Bremsen und bei all dem das völlige Fehlen brauchbarer und wichtiger Informationen – und das ist keine Propaganda des Kriegsgegners oder westlicher Beobachter.
Den unfassbar schlechten Zustand der russischen Bodentruppen hat einer von ihnen offenbart, der 33-jährige Unteroffizier Pawel Filatjew. Der Berufssoldat schildert diese Zustände und die ersten Wochen im Kampfeinsatz als Insider. Die Ausführungen über die Geschehnisse und seinen eigenen Analysen hat er in einem Buch an die Öffentlichkeit gebracht.
„ZOV – Der verbotene Bericht. Ein russischer Fallschirmjäger packt aus“ ist es überschrieben. Filatjew ist längst aus Russland geflüchtet, wo ihm eine mindestens 20-jährige Freiheitsstrafe droht, und lebt an geheimem Ort im Exil. Geschrieben hat er den Bericht im Lazarett, in das er nach zwei Monaten Fronteinsatz wegen einer schweren Augenverletzung kam.
Was er da in tagebuchähnlichen Einträgen an konkreten erfahrungen und Einschätzungen ausführt, erscheint schier unglaublich, ist aber offenbar authentisch, auch wenn der Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar. Gerade die Misere der Führungsunfähigkeit, des verrotteten Materials und der Mangelversorgung sind ja längst auch durch andere Erkenntnisse deutlich geworden, und es erklärt auch die schlechte Moral der Soldaten, die mit zu den schweren Niederlagen durch die Offensive der ukrainischen Heimatverteidiger führten.
Die Armee sei „technisch hoffnungslos veraltet und moralisch verrottet“, stellt er bitter fest und wirft das Verkommen des russischen Militärs in den letzten Jahrzehnten Kreml-Chef Putin vor. Der menschenunwürdige Umgang der vielfach korrupten, versoffenen und vor allem unfähigen Offiziere mit den einfachen Soldaten führe sogar zu manchen Selbstverwundungen.
Das im Übrigen nicht nur, um vor der Front wegzukommen, sondern auch wegen der versprochenen – und häufig ausbleibenden – Prämien für Verwundungen. Schonungslos und in rauem Ton gehalten sind diese bitteren Schilderungen und sie kommen von einem erfahrenen Armeeangehörigen, der aus einer Soldatenfamilie stammt und offensichtlich nicht aus Angst oder gar Feigheit ausgestiegen ist. Er selbst nennt diesen Bericht im Übrigen „eine Friedensgeste“.

# Pawel Filatjew: ZOV – Der verbotene Bericht. Ein russischer Fallschirmjäger packt aus (aus dem Russischen von Maria Rajer); 191 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 23

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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