CHRISTOPH PETERS: „DER SANDKASTEN“


Kurt Siebenstädter ist Anfang 50 und als ebenso kompetenter wie unerbittlicher Moderator beim „Magazin am Morgen“ einer markantesten Radiojournalisten des Landes im Hauptstadtsender. Sein Markenzeichen: kein Respekt vor hohen Tieren.
Dieser bissig intelligente Mann mit der Gabe der Rede als einzigem wirklichen Talent ist die zentrale Figur im neuen Roman von Christoph Peters mit dem Titel „Der Sandkasten“. Ganz in der Gegenwart des November 2020 angesiedelt, gibt der Erfolgsautor deutlich Zeichen, dass er in Wolfgang Koeppens Politroman „Das Treibhaus“ von 1953 ein Vorbild genommen hat.
So wie dort der Bundestagsabgeordnete Keetenheuve zwei Tage durch die Bundeshauptstadt Bonn geistert und kein gutes Ende nimmt, ist dies heute Siebenstädter, der mit Hinz und Kunz im Politikbetrieb zu tun hat. Und sie fleddert, wenn sie sich ihm ausliefern. Doch Siebenstädter ist längst freudlos geworden, denn die Zeiten ahben sich merklich gewandelt und immer mehr muss er auf der Hut sein, um nicht durch einen Ausrutscher einen vermutlich letalen Shitstorm zu ernten.
Auch hier sind es nur zwei Tage des Agierens, doch auch angefüllt mit Reflektionen nicht nur an größ0ere Zeiten. Seine deutlich jüngere Ehefrau Irene hat er seinerzeit pflichtgemäß geheiratet, als die unersättliche erotische Hitze bereits verflogen, sie aber schwanger geworden war. Und passend zur längst eingekehrten Sprachlosigkeit zwischen den Beiden lehnt ihn die pubertierende Tochter ab.
Doch er empfindet sich selbst gegenüber ohnehin inzwischen eine als Zynismus getarnte Verachtung. Und obwohl er bereits von Andeutungen weiß, dass sich etwas gegen ihn zusammenbraut, schießt er nun mit Anwürfen gegen den bräsigen Gesundheitsminister ungesichert übers Ziel hinaus. Wobei nicht nur dieser Politiker bis zur Kenntlichkeit getarnt genüsslich charakterisiert wird.
Christoph Peters brilliert bei dieser Selbstdemontage eines Überdrüssigen nicht nur mit präzisen Offenlegungen des Polit- und Medienbetriebes, auch die agierenden Selbstdarsteller jeglicher politischer Couleur flirren vor bestechender Realsatire. Wobei Rätsel eher für zusätzliche Würze sorgen, wenn offenbleibt, ob die heiße SPD-Dame, die dem so empfänglichen Siebenstädter fatale Indiskretionen andient, eine Art Andrea Nahles mit der Attraktivität von Sahra Wagenknecht sein könnte.
Fazit: ein analytischer Blick auf die gegenwärtige Demokratie in unserem Lande in Form einer sprachgewaltigen galligen Satire, die jeglichen Illusionen den Garaus macht.

# Christoph Peters: Der Sandkasten; 253 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 22


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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