INGRID NOLL: TEA TIME
Wer dem Club der Spinnerinnen beitreten will, muss weiblich sein und eine
signifikante Macke haben. Sechs solcher dynamischer Exemplare stellt Ingrid Noll in den
Mittelpunkt ihres mittlerweile 17. Romans.
Tea Time hat ihn die große alte Dame der subtilen Krimis überschrieben,
obwohl die Zusammenkünfte der jungen Frauen eher weinselig verlaufen. Gemeinsam
offenbaren sie einander ihre ansonsten so wohlgehüteten Macken und Neurosen. Da ist die
Schulsekretärin Franzi, der unordentliche Teppichfransen so wider die Natur gehen, dass
sie sie nicht ungekämmt lassen kann.
Lehrerin Corinna outet sich als Voyeurin und auch ihre Kollegin Eva hat ihre Probleme mit
den allgemein gültigen Moralvorstellungen. Ähnlich schrullig sind auch die städtische
Angestellte Heide und ihre Freundin Jelena, eine geradezu zwanghafte Wolkendeuterin. Und
nicht zu vergessen Ich-Erzählerin Nina, Apothekenhelferin mit einem Kindheitstrauma,
dessentwegen sie nur in einem eng umwickelten Deckenkokon einzuschlafen vermag.
Gerade sie hat zudem ein Händchen für Missgeschicke. Und dann kommt durch ein solches
eher durchschnittliches Versagen eine Welle in Bewegung, durch die schließlich der
gesamte Club in Turbulenzen kommt. Nina verliert ihre Handtasche und hat das Glück, dass
ein gewisser Herr Haase sie ihr wiederbringt. Allerdings mit dem unangenehmen Nebeneffekt,
dass der Herr nicht nur arbeitsloser Alkoholiker sondern auch sonst nicht ganz ohne ist.
Finderlohn okay, aber den hätte er gern körpernah von Nina. In ihrer Not wehrt sie sich
heftig dagegen, das aber folgenreich, wenngleich mit zunächst ungewissem Endergebnis.
Zugleich führt der Zwischenfall zu einer ebenfalls folgenreichen Begegnung mit dem
verschrobenen Nachbarn Yves. Doch auch ansonsten hat der Missgriff des Herrn Haase Folgen,
die für den gesamten zu Turbulenzen sorgen.
Und einmal mehr greift Ingrid Noll als weibliche Wahl der letalen Mittel zu Gift.
Allerdings muss man feststellen, dass die Autorin mehr Altersmilde als gewohnt in die
subtil mörderische Geschichte bringt. Wie immer sind die Charaktere meisterhaft
gezeichnet und die Prosa ein Genuss, gleichwohl eignet sich dieser Roman eher als ziemlich
unaufgeregte Bettlektüre.
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